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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einstweilen an unserer Stelle!«
    Ich schob ihn bei Seite und eilte hinab, wo die Anwesenden einen weiten Kreis um unsere Pferde geschlossen hatten. Bei denselben lag der gastfreundliche Wirth an der Erde und der Hund auf ihm.
    »Fort, Sir?« frug Lindsay.
    »Ja.«
    Im nächsten Augenblicke saßen wir auf.
    »Halt! Wir schießen!« riefen mehrere Stimmen.
    Es richteten sich allerdings mehrere Gewehre gegen uns, aber wir achteten nicht darauf.
    »Dojan, geri!«
    Der Hund sprang auf. Ich nahm die Büchse in die Hand, wirbelte sie um den Kopf; Lindsay that dasselbe, und unsere Pferde schnellten durch den Kreis hindurch. Zwei einzelne Schüsse fielen hinter uns: sie schadeten uns nicht. Aber sämmtliche Nestorah stiegen unter lautem Geschrei zu Pferde, um uns zu verfolgen. Das Abenteuer hatte seit dem Augenblick unserer Gefangennehmung einen beinahe komischen Verlauf genommen; es bildete einen sehr überzeugenden Beleg dazu, daß die Tyrannei imstande ist, ein Volk zu entnerven. Was wären wir Zwei gegen diese Übermacht gewesen, wenn die Nestorianer noch einiges Mark besessen hätten!
    Wir achteten gar nicht weiter auf sie und ritten so schnell wie möglich den Weg zurück, auf welchem wir gekommen waren. Als wir die Höhe erreicht hatten, waren die Verfolger weit hinter uns geblieben.
    »Vor diesen sind wir sicher!« meinte Lindsay.
    »Aber vor den Andern nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Sie können uns begegnen.«
    »So weichen wir ihnen aus!«
    »Das ist nicht an jeder Stelle möglich.«
    »So hauen wir uns durch! Well!«
    »Sir, das würde uns wohl schwerlich gelingen. Ich habe nämlich die Ahnung, daß unsere Nestorianer in der Schaar des Melek nur der überflüssige, muthlose und schlecht bewaffnete Troß gewesen sind, den er zurückgeschickt hat, um nicht gehindert zu sein. An uns haben sie sich gewagt, da wir nur zu Zweien waren und uns in keiner vertheidigungsfähigen Lage befanden.«
    »Lasse mich aber nicht wieder fangen! Yes!«
    »Ich habe auch nicht Lust dazu, aber der Mensch kann nicht wissen, was ihm begegnet.«
    Wir kamen schnell über die Hochebene zurück, auf welcher wir vorher Rast gehalten hatten. An dem diesseitigen Rande derselben hielten wir an, und ich zog das Fernrohr aus der Satteltasche, um die unter uns liegenden Thäler und Abhänge zu betrachten. Ich konnte nichts Besorgniß Erregendes bemerken, und so setzten wir unsern Weg thalabwärts fort. Endlich gelangten wir nach langem Ritt auch an die Stelle, an welcher wir gefangen genommen worden waren. Lindsay wollte nach rechts abbiegen, weil dorthin Mia und unser Jagdplatz lag, aber ich hielt zaudernd an.
    »Wollen wir nicht einmal hier links hinab, Sir?« frug ich. »Dort sind die Unserigen überfallen worden. Es ist beinahe nothwendig, sich den Kampfplatz anzusehen.«
    »Wir werden alle in Mia oder Gumri treffen!« entgegnete er.
    »Gumri liegt nach links. Kommt!«
    »Ihr werdet Euch in neue Gefahr begeben, Sir!«
    Ich schwenkte ohne weitere Antwort links ab, und er folgte mir ein wenig verdrossen.
    Hier sah ich die Wurzel, über welche mein Pferd gestrauchelt war, und vielleicht achthundert Schritte weiter abwärts fanden wir ein getödtetes Pferd da liegen, dem man Sattel und Zaum abgenommen hatte. Der spärliche Graswuchs und das niedrige Gestrüpp war zertreten; auch das mit Blut bespritzte Gestein zeigte, daß hier ein Kampf stattgefunden habe. Die Spuren desselben führten abwärts: die Kurden waren geflohen und die Nestorianer ihnen gefolgt. Das regte den Engländer auf. Er dachte nicht mehr an seine vorige Warnung und setzte sein Pferd in Trab.
    »Kommt, Sir! Müssen sehen, wie es gegangen ist!« rief er mir zu.
    »Vorsichtig!« warnte ich. »Das Thal ist breit und offen. Wenn der Feind grad jetzt zurückkehrt, wird er uns bemerken; dann ist es aus mit uns.«
    »Geht mich nichts an! Müssen den Unserigen helfen!«
    »Sie werden uns jetzt nicht mehr brauchen!«
    Er aber ließ sich nicht halten, und ich war gezwungen, ihm auf dem offenen Terrain zu folgen, während ich mich lieber unter den Schutz der Bäume zurückgezogen hätte.
    Weit unten machte das Thal eine Krümmung. Die innere Ecke derselben stieß beinahe bis an das Ufer des Baches heran und hinderte uns, weiter zu sehen. Unweit davon lag ein nackter Leichnam. Es war ein todter Kurde; das sah man an dem Haarbüschel. Wir bogen um die Ecke. Kaum aber hatten wir hundert Schritte gemacht, so raschelte es in den Bäumen und Sträuchern der Thalwand, und wir sahen uns augenblicklich

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