Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
schwesterliche Helferin war, die mir meine Last erleichterte. Sie arbeitete sich mehr und mehr in meine Gedankenwelt und meinen Briefwechsel ein, so daß ich ihr schließlich die ganze, umfangreiche Korrespondenz getrost überlassen konnte. Ihr Mann war stolz darauf. Noch stolzer fast war ihre Mutter, eine einfach gewöhnte, sehr arbeitsame, praktische Frau, die gar zu gern auch mitgeholfen hätte, wenn es möglich gewesen wäre, denn auch sie besaß eine Seele, die nicht unten bleiben wollte, sondern nach oben strebte.
Also diesen Freund beauftragte ich, meine Angelegenheit so kräftig wie möglich in die Hand zu nehmen, und er tat es, so gut er konnte. Er übergab die prozessuale Durchführung einem Dresdener Rechtsanwalt und benachrichtigte die gesamte deutsche Presse davon, daß ich augenblicklich in Asien sei, nach meiner Heimkehr aber nicht zögern werde, mich der beabsichtigten Vergewaltigung zu erwehren. Mehr konnte für den Augenblick nicht getan werden, weil es mir unmöglich war, meine Reise abzubrechen. Von meiner Frau bekam ich keine Nachricht. Es war ihr unmöglich, sich um so ernste, geschäftliche Angelegenheiten zu bekümmern. Plöhns aber schrieben, doch konnten mich diese Briefe erst in Padang auf der Insel Sumatra erreichen. Sie lauteten aufregend. Die Presse hatte begonnen, sich mit meinen Münchmeyerschen Romanen zu beschäftigen, und zwar in einer für mich ungünstigen Weise. Es wurden Gerüchte über mich verbreitet, die teils lächerlich, teils gewissenlos waren. Man las in den Zeitungen, daß ich mich gar nicht im Orient befinde, sondern mich wegen einer bösartigen Krankheit im Jodbad Tölz, Oberbayern, versteckt habe. Hätte ich geahnt, daß das in dieser lügenhaften, gehässigen und böswilligen Weise ein ganzes Jahrzehnt weitergehen werde, so würde ich meine Reise doch unterbrochen und schleunigst nach Hause zurückgekehrt sein. Hätte ich das getan, so wären mir alle die unmenschlichen Martern und Qualen, die ich während dieser langen Zeit ausgestanden habe, erspart geblieben. Leider aber wußte ich damals noch nicht, was mit meinen Romanen vorgegangen war und welche Leitgedanken im Münchmeyerschen Geschäft über mich kursiert hatten und heute noch kursierten. Ich glaubte, die Sache noch aus der Ferne beilegen zu können und hielt nichts weiter für nötig, als eine genaue Information, aus der sich die einzuschlagenden Schritte zu ergeben hätten. Ich schrieb also heim, daß meine Frau mit Plöhns nach Aegypten kommen möchte, wo ich in Kairo mit ihnen zusammentreffen würde. Sie kamen, aber sehr verspätet, weil Plöhn unterwegs krank geworden war. Was ich von ihnen erfuhr, lautete keineswegs günstig und klang außerdem sehr unbestimmt. Der Rechtsanwalt stand immer noch erst bei den Vorbereitungen. Fischer hatte erklärt, sich auf das Aeußerste wehren zu wollen; meine Romane habe er von Frau Münchmeyer gekauft; sie seien sein wohlerworbenes, bar bezahltes Eigentum, mit dem er machen könne, was er wolle. Die Zeitungen waren gegen mich eingenommen. Meine Münchmeyerschen Romane wurden als Schundromane bezeichnet. Ich sah ein, daß ein Prozeß mit Münchmeyers nicht zu umgehen war, und fragte meine Frau nach den für mich hierzu nötigen Dokumenten.
Ich habe bereits gesagt, daß ich mir Münchmeyers Briefe aufgehoben hatte. Ihr Inhalt war für einen Prozeß gegen Münchmeyer derart beweiskräftig, daß ich ihn glattweg gewinnen mußte. Diese Briefe waren nebst andern gleichwichtigen Sachen in einem bestimmten Schreibtischkasten aufbewahrt. Ich hatte vor meiner Abreise meine Frau auf diesen Kasten und seinen Inhalt ganz besonders aufmerksam gemacht, ihr den Zweck der Briefe ganz besonders erklärt und sie aufgefordert, dafür zu sorgen, daß ja nicht das geringste Blättchen davon verloren gehe. Als ich sie jetzt in Kairo nach diesen Dokumenten fragte, versicherte sie mir, daß sie noch genau so lägen, wie ich sie ihr übergeben habe. Kein Mensch habe sie berührt. Das beruhigte mich, denn das bedeutete den sicher gewonnenen Prozeß. Als meine Frau mir diese Versicherung gab, stand Frau Plöhn dabei und hörte es. Sie sah sie groß an, sagte aber nichts. Das fiel mir damals nicht auf; später aber, als ich mich dieses großen, erstaunten, mißbilligenden Blickes erinnerte, wußte ich nur allzu gut, was er hatte sagen sollen. Meine Frau war nämlich eines Abends zu Frau Plöhn gekommen und hatte ihr mitgeteilt, daß sie soeben unsern Trauschein verbrannt habe, der Vorbedeutung
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