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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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bald nach dem Tode des Großen Kurfürsten – »hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und Ämter, die andere so eifrig suchen, nur als ebenso viele Fesseln, die mich am Genusse meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der Erde geht und deren echten Wert zu würdigen den gemeinen Seelen versagt ist.« Er kannte diesen »echten Wert der Freiheit« wohl, aber die Verhältnisse gestatteten ihm nicht, sich dieser Freiheit so völlig zu freuen, wie es seinen Wünschen entsprochen hätte. Es geschah, was so oft geschieht, man suchte die Dienste desjenigen, der, im Gefühl seines Werts, diese Dienste anzubieten verschmähte, und wie oft er auch, um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, » daß andere die goldenen Äpfel auflasen, während er beim heißen Lauf sich abmühte «, so war doch Gehorsam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Weigerung den Vorwurf des Undanks oder doch der Gleichgültigkeit gegen die allgemeinen Interessen auf sich geladen hätte. Canitz drängte sich nicht zu Diensten, aber sooft er sie übernahm, zeigte er sich ihnen gewachsen. Leicht und gewissenhaft zugleich ging er an die Lösung empfangener Aufgaben, und die graziöse Hand, mit der er die Fragen berührte, pflegte zugleich eine glückliche Hand zu sein. Fast an allen deutschen Höfen war er eine wohlgekannte und wohlgelittene Persönlichkeit, und Kaiser Leopold bezeugte ihm vielfach seine Gnade und sein besonderes Wohlwollen.
    Canitzens letztes und vielleicht bedeutendstes diplomatisches Auftreten war im Haag, wo damals die Minen gelegt wurden, um den Rijswijker Friedensschluß, der so viele Interessen verletzte und so viele Gefahren heraufbeschwor, wieder zu sprengen. Canitz zeichnete sich auch hier durch jene Klugheit und feine Besonnenheit aus, die, weil sie geflissentlich leise die Fäden zu schürzen oder zu entwirren sucht, gemeinhin auf den Beifall zu verzichten hat, der so leicht in all jenen Fällen sich einstellt, wo ein Diplomat so undiplomatisch wie möglich den Knoten zerhaut. Das herausfordernde Wort eines Rücksichtslosen, dessen Punktum bereits ein erster Kanonenschuß ist, wird jubelnd aufbewahrt, während die kluge Haltung dessen, der eine heranziehende Gefahr beschwört, gemeinhin unbeachtet bleibt. Alles, was sich vor aller Welt Augen zu einem bestimmten Bilde abrundet, ist immer im Vorteil über das Unplastische, das sich in vertraulichem Rat oder gar in einer bloßen Aktenstückszeile vollzieht, und jener Erich Christoph von Plotho, der zu Regensburg mit jenem berühmt gewordenen: »Was! insinuieren??« den kaiserlichen Notar, Dr. Aprill, die Treppe hinunterwarf, hat ein ganzes Dutzend Diplomaten in Schatten gestellt.   Überall da, wo das Wort Friedrichs des Großen gilt: »Mach Er nur, ich stehe mit 200 000 Mann hinter Ihm!«, ist es nicht schwer, dem guten Rufe der Kraft auch den der Klugheit hinzuzufügen, und das Achselzucken, das unsere preußischen Diplomaten in vorbismarckschen Tagen oft hinnehmen mußten, hat in ganz anderen Dingen seinen Grund als in Mangel an Einsicht und staatsmännischer Bildung.
    Canitz’ Verdienste als Diplomat sind unbestritten, seine Verdienste als Poet so sagt ich schon, sind kaum geringer. Wer auf gut Glück hin und ohne den Vorsatz liebevolleren Eingehens den Band seiner Dichtungen aufschlägt und in einem, übrigens an Schönheiten keineswegs armen Gedichte folgende Anfangsstrophe findet:
    Laß, mein beklemmtes Herz, der Regung nur den Zügel,
    Begeuß mit einer Flut von Tränen diesen Hügel,
    Weil ihn mein treuster Freund mit seinem Blut benetzt
    Auf dieser Stelle sank der tapfre Dohna nieder,
    Hier war sein Kampf und Fall, hier starrten seine Glieder,
    Als ein verfluchtes Blei die teure Stirn verletzt,
    Das, eh der Sonne Rad den andern Morgen brachte,
    Ihn, leider, ach zu bald zu einer Leiche machte   –
    wer, sag ich, solche und ähnliche Strophen findet, wird freilich zunächst den Kopf schütteln und seine Ungläubigkeit ausdrücken, daß es mit so zopfigen Alexandrinern irgend etwas auf sich habe. Und in gewissem Sinne mit Recht. Wir dürfen diese Dinge aber nicht mit einem Maßstabe messen, den wir dem gegenwärtigen Stande unserer Literatur entnehmen, sondern müssen uns vielmehr die Frage vorlegen: Was waren diese Gedichte in und zu ihrer Zeit? Und zu ihrer Zeit waren sie sehr viel . Wenn ihnen jetzt, wie das gelegentlich geschieht, mit herablassender Miene zugestanden wird,

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