Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
führen ihn in die Lagunenstadt just am Tage der Meervermählung, wo der Doge samt seinen Senatoren im Bucentauro hinausgleitet, um den Ring, das Zeugnis und die Besieglung des Bundes, in das Meer zu senken.
Die Bilder Venedigs schwinden, aber der Kahn des Traumes führt ihn weiter, jetzt zurück auf die hohe See, jetzt an dem Küstenbogen entlang, der zwischen Sorrent und Neapel sich spannt, und jetzt den Rhein hinunter und jetzt die Themse hinauf, hinauf bis an die Londonbrücke, wo die Barken den Strom sperren und die hundert Masten der Schiffe seinen Blick bezaubern und verwirren. Die Treppe steigt er hinan, die halb ausgewaschen zum Quai hinaufführt, und das Geräusch der City nimmt ihn auf. Immer wachsenderes Gedränge umwogt ihn hier, und endlich Stand nehmend auf der Hügelkuppe von Ludgate Hill, wo eben die Quadersteine geschnitten werden, aus denen dereinst die neue Paulskirche sich aufrichten soll, sieht er jetzt, von einem der hohen Steinblöcke aus, die Lord-Mayors-Prozession in altertümlichem Pomp an sich vorüberziehen. Die Themseschiffer in roten Röcken eröffnen den Zug, dann schmettern Pauken und Trompeten, bis endlich aller andre Lärm in dem Jubelgeschrei des Volkes erstickt, denn schwerfällig, aus Eichenholz geschnitzt, schwankt eben die vergoldete Kutsche heran, und der erwähnte Cityherrscher grüßt mit gravitätischem Kopfnicken nach rechts und links.
Vereinzelte Kuckucksrufe klingen jetzt leis und wie aus weiter Ferne her herüber, und siehe da, der kranke Poet unterbricht sich in seinem Figurenzeichnen und horcht auf. Aber wie die Seele gern wieder anknüpft an das, was ihr lieb geworden, so fällt er alsbald auch in altes Sinnen und Träumen zurück.
Immer lachendere Bilder ziehen herauf. Es ist wieder ein Festzug, eine Prozession, aber diesmal auf heimischem Grund und Boden, und der Gefeierte ist er selbst. Ein Junitag ist’s wie heute, nur um so viel heiterer und schöner, als die Augen damals heller in den Tag hineinsahen: denn neben ihm auf dem breiten Sitze des Wagens, auf dem er eben einfährt in die festgeschmückte, mit Laubgewinden überspannte Dorfgasse, sitzt seine heißgeliebte Braut, seit gestern sein Gemahl. Sie zählt nicht zu den leuchtenden Schönheiten, aber sie hat jenen blendenden Teint, der der Schönheit nahekommt. Ihre blühenden Wangen wurden rosiger von der Fahrt, und das rotblonde Scheitelhaar flattert halb aufgelöst im Winde. Bauern zu Pferd und mit bebändertem Hute folgen dem Zuge, Frauen im Sonntagsstaat stehn in den Türen oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten sie mitzureden bei solchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von draußen her den Zug und erzählen sich hoch oben von dem Glück, das sie drunten gesehn.
Und ein volles Glück war es, das sie sahn, nicht spärlich zugemessen wie sonst wohl. Denn nicht über kurze Tage hin dehnte sich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg, wie es der tägliche Zeuge vollkommener Eintracht und innigsten Zusammenlebens wurde, wurd auch ein gefeierter Sitz edler Gastfreundschaft, ein Mittelpunkt geistigen Lebens, dichterischen Schaffens , wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war. Johann von Besser, Eusebius von Brandt waren oft und gern gesehene Gäste, und von hier aus ergingen an den vielbewährten Jugendfreund und Studiengenossen unsres Poeten, an den Kirchenrat Zapfe in Zeitz, oft wiederholte Einladungen, »das Harfenspiel aufs neu von der Wand zu nehmen und das Hoflager in Blumberg zu beziehen«. Briefe wurden mit einer gewissen Regelmäßigkeit gewechselt, und als die Schilderungen ehelichen Glücks, die Canitz regelmäßig mit einem »Nun gehe hin und tue desgleichen« zu schließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den ehrbaren Magister und Kirchenrat auch an den Altar geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief folgenden Inhalts nach Zeitz: »Deine Heirat und die Art derselben gefällt mir sehr wohl; weil Du mir aber Dein Sach ohne sonderliche Umstände schlechthin berichtet hast, so will auch ich Dir in Kürze nur, aber doch immer von Herzen, Glück und Vergnügen wünschen und daß Deine Liebste, wo nicht ein fruchtbarer Weinstock, so doch ein immergrüner Tannenbaum sei, dem es an Zapfen niemals fehlen möge.«
So gingen die Tage. Ein volles Glück war es, ein Glück über Jahre hin und doch zu kurz für das beneidete Paar, das in seltnem Gleichklang zusammenstimmte. Der alte Neider Tod
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