Dem Vaterland zuliebe
brauche ihn, ohne ihn bin ich verloren.«
Später, als sie in dem großen Himmelbett lagen, dachte sie an seine Worte zurück.
Und an das, was er nicht gesagt hatte. An sein beeinträchtigtes Sehvermögen. Was sollte geschehen, wenn auch das andere Auge verletzt würde? Er brauchte einen Kapitän, auf den er sich ganz und gar verlassen konnte. Kein Wunder also, daß Richard Tyacke allein sprechen wollte. Tyacke durfte keinen Augenblick annehmen, Bolitho nutze Catherines Gegenwart, um ihn zu überreden, die Beförderung anzunehmen und all das, was mit ihr verbunden war. Und auch das, was sie von ihm forderte.
Sie preßte sich gegen Richard und murmelte: »Ich werde auf dich warten, Liebster, was immer du tust!«
Gleich darauf hörte sie einen Hahn krähen und wußte, daß sie nicht träumte.
Mehr als Treue
Die kleine unauffällige Kutsche hielt nur kurz am Werfttor. An ihren Fenstern und Türen klebte der Schmutz der zerfurchten Straßen. Die Insassen zeigten ihre Papiere. Als die Räder über das Kopfsteinpflaster ratterten, starrte der junge Leutnant der Seesoldaten ihnen immer noch mit offenem Mund nach. Jedenfalls nahm Bolitho das an.
Er versuchte, seinem Flaggleutnant zuzulächeln, doch das geschah eher halbherzig. Zwar war er nicht offiziell nach Plymouth gekommen, doch sein Aufenthalt hier würde nicht lange verborgen bleiben. Der Seesoldat eilte sicher schon zum Hafenadmiral.
Sir Richard ist hier, Sir!
Bolitho hielt sich am Haltegurt fest und sah nach draußen auf die geschäftige Werft, ignorierte Averys neugierige Blicke. Von allen britischen Häfen war Plymouth ihm am vertrautesten. Hier hatte er sich von Catherine getrennt, als es nach Mauritius ging. Avery hatte ihn auf diesem ersten gemeinsamen Kommando begleitet. Der hatte sich sehr bedeckt gehalten, versuchte sich neu zu orientieren nach allem, was ihm im Zusammenhang mit der Kriegsgerichtsverhandlung geschehen war. Fast schien er seinem eigenen Urteil nicht mehr zu glauben.
Wie hatte er sich doch verändert!
Vielleicht hatten sie beide sich verändert.
»Wir gehen den restlichen Weg zu Fuß!«
Avery klopfte an die Kutschendecke, worauf die Pferde scharf gezügelt wurden und der Wagen hielt.
Bolitho trat nach draußen und spürte den scharfen Wind im Gesicht. Die sanft geschwungenen Hügel hinter dem Tamar zeigten schon kräftiges Grün. Der Tamar – nur ein Fluß. Und doch trennte er ihn von seiner Heimat Cornwall. Das Wasser war dunkel und modrig, kein Wunder nach den ausgedehnten Regenfällen.
»Da drüben liegt sie!« Er fragte sich, ob Avery sein langes Schweigen während der ungemütlichen langen Reise aufgefallen war. Möglicherweise war er auch mißgestimmt. Denn jetzt, da er als sein Adjutant zurückgekehrt war, hatte er wahrscheinlich alle Chancen einer Beförderung oder eines eigenen Kommandos verspielt.
Bolitho sah ihn an, sah das starke, intelligente Profil und sagte: »Ich bin wirklich ein schlechter Reisegefährte. Aber hier hat für mich so viel begonnen und geendet!«
Avery nickte. Auch er dachte zurück. Er hatte bei seinem letzten Besuch beobachtet, wie Bolitho sich vor dem Golden Lion von der schönen Catherine verabschiedete. Er erinnerte sich an seine Gefühle, als am Fockmasttopp Bolithos Flagge auswehte. Ihm erschien es wie eine Wiedergeburt. Die Marine hatte ihn wieder aufgenommen, nachdem sie ihn bisher zurückzuweisen schien.
Bolitho schritt jetzt in gleichem Tempo neben ihm her.
Ihre langen Bootsmäntel verbargen Uniform und Rang vor den forschenden Blicken der vielen, die an Bord der zahlreichen Schiffe Reparaturen ausführten.
Avery erinnerte sich sehr genau, als sie einmal in derselben Werft an einem anderen Dock gehalten hatten. Bolitho hatte ihm von seiner alten
Hyperion
berichtet, die mit ihren 74 Kanonen hier gelegen hatte – praktisch ein Wrack nach dem Kampf, der wohl der schwerste ihres ganzen Seelebens gewesen war. Doch die
Hyperion
lebte weiter, war zur Legende geworden. In Liedern, die in allen Kneipen gesungen wurden, erinnerte man sich an sie. Es waren Lieder über ihr letztes Gefecht, als sie mit Bolithos wehender Flagge gesunken war. Vielleicht wehte die Flagge in den Tiefen der See immer noch über den Männern, die dort, wo sie gefallen waren, als Schatten weiterlebten. Ganz lebendig waren Schiff und Mannschaft in Bolithos Erinnerungen und in der von John Allday. Sie waren dabeigewesen. Und sie würden das nie vergessen.
Bolitho hielt an und sah sich die Brigg
Larne
mit ihren 14 Kanonen
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