Denk an unsere Liebe
nahm seine Hand.
„Ach du! Ich denke doch immer an dich. Du bist immer in meinem Unterbewußtsein. Genauso ist es doch bei dir, wenn du mit Schecks wirtschaftest und mit vielfacher Buchführung und all dem anderen Kram da unten in eurer Bank. – Aber es kommt wohl sicher vor, daß deine Gedanken auch einmal deine Arbeit streifen, selbst wenn ich neben dir sitze?“
Eivind sah sie grübelnd an und dachte nach.
„Nein, weißt du, im Grunde nicht. Wenn ich mein Pult für den Tag abschließe, so schließe ich auch alle Gedanken an die Arbeit mit ab und lasse sie bis zum nächsten Tag dort liegen. Wenn ich frei bin, dann bin ich frei – und beschäftige mich mit angenehmeren Dingen, zum Beispiel mit dir.“
Toni überdachte das mit gerunzelten Brauen.
„Ja, das könnte ich vielleicht auch tun, wenn ich Stenotypistin oder Kontoristin wäre oder so etwas. Aber es ist so seltsam und etwas ganz anderes, wenn man mit Menschen und ihren Schicksalen direkt in Berührung steht.“
Die Stewardeß kam und servierte Kaffee. Etwas später verkündeten Leuchtbuchstaben an der Wand, daß die Gurte festzuspannen seien – und dann rollten sie über den Flughafen Bromma.
Während der Fahrt in die Stadt plauderte und berichtete Toni.
Sie blickte rechts und links, zeigte und erklärte. Ihre Augen leuchteten und glänzten. Eivind genoß eine reizende Toni, ihre klare, glückselige Stimme, und er freute sich über ihre Freude.
Er lachte und amüsierte sich, als sie einsprang und half, wenn er einige Schwierigkeiten mit der ungewohnten Sprache hatte. Er lächelte über ihre glückliche Geschäftigkeit.
„Busy bee“, sagte er und drückte sie an sich. Sie standen im Fahrstuhl im Hotel.
„Was sagst du? Fleißige Biene?“
„Du bist ja mächtig fleißig und voller Initiative. Ein so kleines eifriges Ding da wie dich nennt man busy bee in Amerika.“
Toni sah schuldbewußt zu ihm auf.
„Habe ich allzuviel Initiative?“ fragte sie ängstlich. „Du mußt mich zurückhalten, wenn ich übertreibe.“
„Unsinn“, lachte Eivind. „Ich will dich kein bißchen anders haben. Ich liebe dich genau so, wie du bist!“
Es folgten ein paar Tage in ungestörtem Idyll. Sie waren auf Autotouren, sie gingen ins Theater, sie frühstückten und aßen zu Mittag in zünftigen, verborgenen Kneipen, die Toni kannte. Toni wußte Bescheid mit den verschiedenen Spezialitäten der schwedischen Küche, und sie war so reizend in der Rolle des Reisemarschalls, daß Eivind tagtäglich noch verliebter wurde.
„Du“, sagte Toni am Morgen ihres dritten Tages in Stockholm, „ich fühle mich nach der gestrigen Autotour wie ein dreckiger Staubbesen. Kannst du mal eine Stunde allein bleiben, während ich weggehe und mir das Haar waschen lasse?“
„Ja, denk mal, ich glaube beinahe, das kann ich“, neckte Eivind. „Oder willst du vielleicht einen Zettel um meinen Hals hängen mit Namen und Adresse?“
Er sagte das lachend und küßte sie dabei. Aber Tonis Ohr war geübt, jede feinste Nuance im Tonfall einer Stimme zu erkennen, und sie wußte auf einmal, daß hinter dem Lächeln und den neckenden Worten etwas lag – etwas, worauf sie achtgeben mußte – etwas, das eines Tages deutlicher hervortreten konnte – ohne ein versöhnendes Lächeln oder einen mildernden Kuß.
„Sollen wir uns zum Essen an irgendeiner Stelle treffen? Und wo?“ Eivind schlug N. K.’s Dachrestaurant vor. Dann küßte Toni ihren Mann und ging zum Friseur.
Eivind machte sich in Gemütsruhe fertig und bummelte allein in die Stadt. Er schlenderte ohne Ziel und Absicht dahin, genoß nur die Sonne und die Schönheiten, sah in die Schaufenster und ließ die Minuten verrinnen in friedlicher Trägheit. Und dann fiel sein Blick auf ein Theaterplakat.
Donnerwetter! „Ein Sommernachtstraum“ im Freilufttheater auf Skansen! Shakespeare in Freiluft, ein Sommernachtstraum in der Mittsommerzeit!
Mit Hilfe des Plakats und einer Zeitung fand er heraus, wo er Eintrittskarten bekommen konnte, und besorgte sie sofort. Besser gleich die Gelegenheit nützen bei einem so schönen Wetter wie heute. Morgen würde es vielleicht schon regnen.
So stand er mit den Karten in der Tasche und entdeckte, daß er in fünf Minuten in N. K.’s Dachrestaurant sein sollte – und er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.
Er gab den Gedanken keinen Raum, er machte sich nicht klar, warum er auf Tod und Leben pünktlich sein wollte – obwohl Toni die erste sein würde, eine Verspätung zu verstehen
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