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Depeche Mode

Depeche Mode

Titel: Depeche Mode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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hoffnungslos harten Bank, durchs Fenster gucke und Spiritus schlucke, weiß ich schon jetzt, mit neunzehn, was ich in zehn Jahren denken werde, ich weiß, worüber ich nachdenken werde, aber das ist nicht die Hauptsache – die Hauptsache ist, daß ich weiß, was ich nie denken werde, um nichts in der Welt, niemals, nicht mal aus Versehen. Ich werde niemals denken, daß alles ganz anders hätte kommen können, daß alles von mir abhing und in meiner Hand lag, daß in Wirklichkeit ich meinen Weg bestimmt und die Umstände um mich herum gelenkt habe, das werde ich nie im Leben denken. Alles konnte nur so, so und nicht anders sein, vielmehr – es hätte auch gar nicht sein können, was für ein riesiges Glück, daß es zumindest irgendwie passiert ist, alles mehr oder weniger normal verlief, denn ehrlich gesagt – das hatte ich gar nicht erwartet, habe überhaupt nichts erwartet, nicht geglaubt, daß sich alles irgendwie einrenken und weitergehen würde, ich hatte immer das Gefühl, daß alles schnell und einfach enden könnte – einfach hier und jetzt. Denn hier und jetzt – mit neunzehn, auf einer Bank ohne Hoffnung, weiß ich, woran ich in zehn Jahren glauben werde, ich weiß, woran ich glauben werde und weiß auch, woran ich nicht glauben werde, für mich wird sich diesbezüglich wenig ändern, es gibt Dinge, die sich nicht ändern, und zwar ganz offensichtlich gerade die Dinge, die den Glauben betreffen. Ich glaube nicht an das Gedächtnis, glaube nicht an die Zukunft, glaube nicht an die Vorsehung, nicht an den Himmel, nicht an Engel, ich glaube nicht an die Liebe, nicht mal an Sex glaube ich – Sex macht dich einsam und verletzlich, ich glaube nicht an Freunde, glaube nicht an Politik, glaube nicht an die Zivilisation, okay, um es weniger global anzugehen – ich glaube nicht an die Kirche, glaube nicht an soziale Gerechtigkeit, glaube nicht an die Revolution, glaube nicht an die Ehe, glaube nicht an Homosexualität, glaube nicht an die Verfassung, nicht an die Heiligkeit des Papstes, sogar wenn mir jemand die Heiligkeit des Papstes beweisen würde, ich würde nicht daran glauben – aus Prinzip nicht. Dafür aber glaube ich, vielmehr glaube nicht nur, sondern weiß, daß dort oben, genau dort, wo sich manchmal das Wetter ändert, von gut zu schlecht, also ich weiß, daß es dort jemanden gibt, der mich die ganze Zeit durch das Leben schleift, der mich aus meinen verdammten Neunzigern herausgezerrt und vorwärts getrieben hat – damit ich weiterlebe; einen, der mich nicht umkommen ließ, und zwar nur deshalb, weil das seiner Ansicht nach zu einfach gewesen wäre, ich weiß, daß hier, in den schwarzen Himmeln über uns, Satan auf Posten ist, er ist der einzige, der wirklich existiert, der einzige, dessen Existenz ich niemals bezweifeln werde, und sei es nur, weil er vor meinen Augen meine Freunde gepackt und aus diesem Leben geschmissen hat wie faules Gemüse aus dem Kühlschrank, oder sie hat leben lassen, ihnen dabei aber die Pupillen ausquetschte, die Gurgel durchbiß, das Herz stillstehen ließ, das Genick brach, ihre Köpfe mit irren Melodien füllte und ihre Gaumen mit blutigen Buchstaben, krankes Blut in ihre Adern goß und in ihre Lungen fette, pasteurisierte Milch, und ihre Seelen mit Nebel und wildem Honig überschwemmte, wovon ihr Leben genauso wurde wie ihre Verzweiflung – grenzenlos.
    Ich weiß, daß er alles bestimmt, wenn ich also manchmal jemanden neben mir spürte, dann ihn, obwohl ich persönlich viel eher jemand anderen gebraucht hätte, mir persönlich wäre es wichtiger gewesen, daß sich neben mir, in der Luft um mich herum, nicht nur dieser scheiß Satan befindet, sondern jemand mit einer positiveren Einstellung mir gegenüber, aber es ist, wie es ist, genau so und nicht anders, und genau darum schäme ich mich für keine meiner Taten, obwohl es ja eigentlich keine Taten waren, es war Bewegung durch dichte und schwere Luft, der Versuch, sich durch sie hindurchzuzwängen, noch ein bißchen weiter zu zwängen, noch ein paar Millimeter, ohne jedes Ziel, ohne jeden Wunsch, ohne jeden Zweifel, ohne jede Hoffnung auf Erfolg.
     
    12.30
    »Chemiker«, sagt ein Alteingesessener zu mir, ein Partisan aus dem Untergrund, der auf der Nachbarbank sitzt, und ich steige aus. Einen richtigen Bahnhof gibt es hier nicht, mitten im Wald stehen einfach zwei Pavillons – auf dem einen ein Schild »Chemiker«, auf dem anderen – »Café Chemiker«, hätten besser »Nescafé Chemiker« geschrieben,

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