Depesche aus dem Jenseits
gelandet?«
»Ja, mit dem Flug hatte er mehr Glück als ich! Aber sonst... eine Katastrophe! Ich habe gerade mit ihm telefoniert. Unser italienischer Partner hat auf dem Weg zum Termin in der Bank einen Herzinfarkt bekommen, und nun liegt er genauso wie ich im Krankenhaus. Aber das ist noch nicht alles! Der Generaldirektor der Vatikan-Bank ist nirgendwo aufzufinden. Niemand weiß, wo er ist!«
»Es ist nicht zu fassen! Was passiert nun mit Ihnen und mit dem Vertrag?«
»Alles vorbei! Die ganze Aufregung war umsonst! Wir sind ruiniert!«
Zwei Tage später erfährt die ganze Welt die Nachricht: Die Vatikan-Bank Ambrosiano mußte Konkurs anmelden — und ihr Generaldirektor Signore Roberto Calvi, wurde in London tot aufgefunden: Er hatte sich unter einer Brücke der Themse erhängt... am 18. Juni 1982. Erst nach einer Woche traut sich der Taxifahrer, Monsieur Riquelinque anzurufen. Irgendwie macht er sich Sorgen um ihn. Er kennt ihn zwar kaum, aber nach alledem, was sie zusammen erlebt haben, hat er das Bedürfnis, sich nach seinem Befinden zu erkundigen. »Mein lieber Monsieur Cartant, ich freue mich so, daß Sie mich anrufen!«
»Ja, ich wollte wissen, wie es Ihnen geht?«
»Gut geht’s mir! Wunderbar!«
»Ich verstehe nicht, Sie sagten doch, Sie wären ruiniert!«
»Ich wäre es gewesen, ja, WENN wir den Vertrag in Rom unterschrieben hätten! Stellen Sie sich vor, bei dem Spielzeug, das wir in Massen herstellen wollten, da gab es ein Teil aus Blei, das mit einer zinkhaltigen Farbe bemalt werden sollte. Und die französische Regierung hat eben ein Verkaufsverbot für alle Spielzeuge erlassen, die damit verarbeitet werden! Also... der Auftrag wurde gestrichen! Hätten wir in Italien schon unterschrieben, müßten wir jetzt dort die Rechnung zahlen! Und dann hätten auch wir Konkurs anmelden müssen, wie die Bank Ambrosiano! Was sagen Sie nun? Ist es nicht ein wahres Wunder?«
Wenn man bedenkt, daß alle Geschehnisse dieser irren Geschichte sich völlig unabhängig voneinander ereignet haben, kann man in der Tat von einem Wunder sprechen! Einige möchten vielleicht lieber glauben, das Schicksal habe hier seine Hand im Spiel gehabt, doch — es war nichts weiter als eine unglaubliche Folge von Zufällen! Kein Schicksal kann es mit jemandem so gut meinen: einem Hotelportier eine falsche Anweisung in den Mund zu legen... einen Lastkraftwagen mit Fischen beladen auf der Autobahn umzukippen... vier Personen in einem Wagen von einem Bus zerquetschen zu lassen... ein Bein zu brechen... einen Herzinfarkt auszulösen... eine Finanzkrise auf den Gipfel zu treiben... die Bank Ambrosiano vom Vatikan-Staat zu ruinieren... ihren Generaldirektor in den Freitod zu schicken... und es auch noch schaffen, die französische Regierung rechtzeitig umweltfreundlicher zu stimmen!
Und alles das, nur, damit Monsieur Riquelinque den fatalen Vertrag in Rom nicht unterschreibt? Wenn es also nicht das Schicksal war — was war es dann? Gibt es vielleicht doch Schutzengel? Monsieur Riquelinque ist fest davon überzeugt. Nun fragt man sich: Hatten dann all die Schutzengel der anderen Beteiligen Urlaub an diesen Tagen?
Das Haus der Unsterblichkeit
Mrs. Sarah Winchester zerfließt in Tränen — rings um sie steht andächtig der gesamte Verwaltungsrat der Winchester Repeating Arms Co. Oliver Winchester — Herr und Gebieter seiner schon in der ersten Generation zur Legende gewordenen Familie — liegt im Sterben. Noch vor einem Monat erfreute er sich bester Gesundheit und feierte seinen siebzigsten Geburtstag mit Pauken und Trompeten, so wie es sich für einen Helden der Sezessionskriege gehörte. Heute segnet er in seiner Residenz in New Haven das Zeitliche, umgeben von all den Trophäen, die seinen Weg zum Ruhm gesäumt haben. Von dem Schnelladegewehr Henry zum Beispiel! Hätte die Regierung damals nur dieses Juwel zu würdigen gewußt, statt die übliche, altmodische Springfield-Muskete vorzuziehn... ja, dann hätte der Krieg bestimmt nicht so lange gedauert!
Links und rechts von Henry sind die glorreichen Winchesters 1870 und 1873 aufgereiht — die Heroen des Wilden Westens! Sie sind wirklich alle um das Sterbebett herum aufgestellt — die Handfeuerwaffen und die Repetiergewehre, blankpoliert und lackiert, schön geordnet in exakter Formation, wie eine für die Parade geschniegelte Kompagnie — stumme Zeugen der ruhmreichen Pionierzeiten.
Wir schreiben das Jahr 1880, den 10. Dezember.
Noch einem erfüllten
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