Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass für ihn das Gespräch beendet war. Theresa strich ihren Rock glatt und stand auf. »Das ist alles, was wir von Ihnen erwarten, Wes. Wirklich.«
Cliff starrte noch für ein, zwei Sekunden – drohend? – in Farrells Augen, erhob sich dann aber auch. »Es ist immer gut, wenn man weiß, wer seine Freunde sind«, sagte er. »Und Sie wissen, dass der ›Courier‹ eine enge Freundschaft zu vielen Politikern dieser Stadt pflegt.«
»Nun, ich bin nicht gerade ein großer Politiker«, sagte Wes. »Das ist im Wahlkampf wohl auch deutlich geworden. Aber ich hoffe trotzdem, dass ich in der Lage sein werde, die richtigen Entscheidungen zu treffen.«
Theresa ergriff die angebotene Hand und nickte ihm zu. »Das ist alles, was wir erwarten können. Wir danken Ihnen, dass Sie uns so viel Ihrer kostbaren Zeit geopfert haben.«
»Es war mir ein Vergnügen. Dank an Sie beide. Meine Tür steht Ihnen immer offen.«
Farrell ging zum Ende des Korridors und klopfte an der offenen Tür von Amanda Jenkins, der stellvertretenden Staatsanwältin.
Obwohl sie sich bereits lange kannten – oder vielleicht gerade deshalb –, war ihre Beziehung nicht unproblematisch. Das mochte zum Teil beruflich bedingt sein: Jenkins saß immer auf Seite der Anklage, während Farrell Verteidiger aus Überzeugung war. Das Ganze bekam eine persönliche Note, als Farrell in dem sensationellen Mord prozess, mit dem er sich einen Namen machte, gegen Jenkins antrat und für seinen Klienten einen sauberen Freispruch herausholte.
Im vergangenen Jahr hatte Jenkins selbst mit dem Gedanken gespielt, für die Wahl zum Staatsanwalt zu kandidieren. Aber dann hatten die Strippenzieher, die sich letztlich auf Wes Farrell einigen sollten, ihr zu verstehen gegeben, dass sie wohl etwas einseitig orientiert sei, konkret: dass sie sich ausschließlich mit Frauen-Fällen beschäftigt habe. In anderen juristischen Fragen war sie einfach politisch nicht links genug und vertrat beispielsweise die Auffassung, dass Hausarrest keine geeignete Strafe für Gewaltverbrecher sei.
Andererseits hatten sich gleich nach Farrells Sieg die gleichen Strippenzieher dafür stark gemacht, sie zu seiner Stellvertreterin zu küren: Sie hatte bereits als Anklägerin ihre Sporen verdient, besaß administrative Erfahrung, kannte das Personal im Büro der Staatsanwaltschaft bestens – und hatte zumindest für feministische Kreise auch die politisch korrekte Einstellung.
Seit genau vier Tagen saßen sie also an ihren neuen Positionen, und es war das erste Mal, dass Farrell sie seit seiner Amtseinführung zu Gesicht bekam.
Jenkins schaute von den Unterlagen hoch, die sich auf ihrem Schreibtsich stapelten, und setzte sich gerade. »Sir?«
Farrell drehte sich halb um, als stände jemand hinter ihm. »Es gibt hier keinen ›Sir‹, Amanda. Nur meine Wenigkeit. Wes. Ich war Wes, als wir Kollegen bei Prozessen waren. Und selbst als wir gegeneinander im Wahlkampf antraten. Erinnern Sie sich nicht mehr daran?«
»Doch, Sir.«
»Doch, Wes.«
Sie atmete tief durch: »Doch, Wes.«
»Gut. Rühren.« Er trat in ihr Zimmer ein. »Haben Sie eine Sekunde? Was dagegen, wenn ich die Tür schließe?«
Jenkins war die prototypische Staatsanwältin und als solche stets professionell gekleidet, wenn man vielleicht von ihren traditionell kurzen Röcken absah, mit denen sie ihre atemberaubenden Beine ins rechte Licht rückte. Sie warf ihrem neuen Boss einen leicht gequälten Blick zu, zuckte – mit einem Blick auf den überfüllten Schreibtisch – ihre Schultern, schob dann aber doch den Stuhl zurück und legte ihre Hände in den Schoß. Zu Diensten. »Was liegt an?«
Farrell schloss die Tür und griff sich einen Stuhl. »Ich hatte gerade ein Gespräch mit den Curtlees. Mit beiden.«
»Das ging aber schnell«, sagte sie, inzwischen sichtlich neugierig. »Und lassen Sie mich raten: Sie möchten, dass Sie die Wiederaufnahme verhindern und, wenn das nicht funktioniert, ihn zumindest auf Kaution laufen lassen.«
»Haben Sie heimlich eine Wanze in meinem Büro installiert?«
Humor war nicht gerade Jenkins’ Stärke. »Ich hoffe, Sie haben ihnen gesagt, dass sie sich umgehend verpissen sollen.«
»So gewählt habe ich mich nicht ausgedrückt. Ich gab ihnen zu verstehen, dass ich den Fall prüfen werde, um dann die angemessene Entscheidung zu fällen.«
»Es gibt nichts zu prüfen. Ro ist ein Monster.«
Farrell hob eine Hand und wartete, bis sie sich beruhigt hatte. »Ich
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