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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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habe er das Foto eines Gentlemans ausgestellt, von dem er nicht gewußt habe, daß er es nicht hätte ausstellen dürfen, das habe ihm dann ein Mitglied der Bande beigebracht, mit einem Maschinengewehr, so daß sein Vater durchlöchert hinter dem Ladentisch über ihn gesunken sei, der am Boden sitzend seine Schulaufgaben gemacht habe, an jenem Montag abend eben, habe sich doch sein Vater in den Kopf gesetzt, ihm eine höhere Bildung zu geben, Väter wollten immer zu hoch hinaus mit ihren Söhnen, aber er, als er nach einer Weile, da niemand mehr geschossen habe, unter seinem Vater hervorgekraxelt sei, habe beim Anblick des zerschosse-nen Ladens begriffen, daß die wahre Bildung darin bestehe, zu kapieren wie man durch die Welt komme, indem man sich der Welt bediene, durch die man kommen möchte, er sei mit der einzigen Kamera, die nicht wie sein Vater durchlöchert gewesen sei, in die Unterwelt gestiegen, als Dreikäsehoch sozusa-gen, zuerst habe er sich auf Taschendiebe spezialisiert, die Polizei habe seine Schnappschüsse nur mäßig bezahlt und nur wenige verhaftet, so sei keiner auf ihn aufmerksam geworden, darauf sei er kühner geworden und habe sich an die Einbrecher herangemacht, die Ausrüstung habe er sich teils zusammenge-stohlen, teils zusammengebastelt, er habe mit der Intelligenz einer Ratte gelebt, um Einbrecher zu fotografieren, müsse man 59

    wie Einbrecher denken, die seien gewitzt und lichtscheu, einige Fassadenkletterer seien von seinem Blitzlicht geblendet abgestürzt, sie täten ihm noch jetzt leid, aber die Polizei habe immer noch schäbig bezahlt und mit den Fotos zur Presse zu laufen, hätte die Unterwelt alarmiert, so habe er denn Glück gehabt, niemand habe im schmächtigen Gassenjungen einen Fotografen vermutet, darum sei er größenwahnsinnig geworden und habe sich an die Killer herangemacht, ohne eigentlich zu überlegen, auf was er sich da einlasse, die Polizei sei zwar splendide geworden, ein Killer nach dem anderen sei nach Sing-Sing und auf den elektrischen Stuhl gewandert oder aus Vorsicht von seinen Auftraggebern abgeknallt worden, aber dann sei ihm aus Zufall im Central Park ein Fangschuß unter-laufen, der einem Senator die Karriere vermasselt und eine Lawine von Skandalen ausgelöst habe, wodurch die Polizei gezwungen worden sei, dem parlamentarischen Untersu-chungsausschuß seine Existenz bekanntzugeben, von der sonst niemand wußte, von dem FBI aufgestöbert, habe ihn der Ausschuß auseinandergenommen, und mit seinem Bild in der Zeitung habe er, in sein Atelier zurückgekehrt, dieses im gleichen Zustand vorgefunden wie seinerzeit den Laden seines Vater, eine Zeitlang habe er sich noch über Wasser gehalten, indem er der Polizei Fotos von Killern und den Killern Fotos von Detektiven verkauft habe, aber bald hätten ihn alle gejagt, Polizei und Killer, und ihm sei nichts anderes übriggeblieben als sich bei der Armee in Sicherheit zu bringen, auch die hätten Fotografen gebraucht, legale und illegale, doch wenn er sage, er habe sich in Sicherheit gebracht, fuhr er fort, auf dem Sessel nach rückwärts gelehnt und die Beine auf dem Tisch, so sei das reichlich übertrieben, Kriege, auch wenn sie nur administrative Maßnahmen genannt würden, seien unpopulär, Abgeordnete und Senatoren, Diplomaten und Journalisten müßten überzeugt, seien sie nicht überzeugt, bestochen, seien sie nicht zu beste-60

    chen, erpreßt werden, zu diesem Zwecke hätten ihm Luxusbor-delle zur Verfügung gestanden, die Fotos, die er da geschossen habe, seien politisches Dynamit, er sei dazu gezwungen gewesen, die Armee hätte ihn jederzeit nach Hause schicken können und in Anbetracht dessen, was ihn dort erwartete, habe er nachgegeben, mit dem Erfolg, daß er, als wieder ein Untersu-chungsausschuß anrückte, von der Armee zur Luftwaffe geflüchtet sei, dann, weil nichts hartnäckiger sei als rachsüchtige Politiker, von der Luftwaffe zur Waffenindustrie, in die alle Interessen zusammengelaufen seien, so daß er hoffen durfte, sich dort endlich in Sicherheit zu finden, so sei er denn hier gestrandet, arg zugerichtet, ein stets gejagter Jäger, eine legen-däre Gestalt für die Insider seines Berufs, die ihn denn auch zu ihrem Boß gewählt hätten und es sei denn auch eine der größ-
    ten Schnapsideen seines Lebens gewesen, diese Wahl anzunehmen, denn damit sei er der Chef einer illegalen Organisation geworden, von der man jede Information über alle einge-setzten Waffen erhalten habe, deren Aufgabe

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