Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Korridor herbei, eine leere Blechschüssel in der Hand, als hätte er einem Tier zu fressen gegeben, befreite einen Stuhl von Fotobüchern, dann einen zweiten, sie setzte sich, er schnitt mit einem Taschenmesser das Brot in Scheiben, sie solle sich bedienen, sie schenkte sich Tee ein, nahm eine Scheibe Brot, Corned beef, sie spürte plötzlich, daß sie Hunger hatte, er schüttete ein weißes Pulver in ein Glas, füllte Wasser nach, am Morgen trinke er nur Milchpulver mit Wasser, er müsse sich entschuldigen, er sei gestern betrunken gewesen, er trinke in der letzten Zeit, scheußlich diese Milch, es sei kein Erdbeben gewesen, sagte sie, nein, es sei keines gewesen, antwortete er, goß sich Wasser nach, es sei angebracht, daß er sie aufkläre, in welche Geschichte sie unfreiwillig geraten sei, denn offenbar wisse sie nicht, was sich im Lande eigentlich abspiele, fuhr er fort und hatte etwas Spöttisches, Überlegenes, schien überhaupt ein anderer Mensch zu sein als der, den sie am explodierten VW-Bus kennengelernt hatte, natürlich, über den Machtkampf zwischen dem Polizeichef und dem Chef des Geheimdienstes sei sie im Bilde, selbstverständlich bereite der erste einen Staatsstreich vor, versuche der zweite diesen zu verhindern, doch seien dabei noch andere Interessen im Spiel, das Land in welches sie mehr als leichtsinnig gekommen sei, wie ihn dünke, lebe nicht nur vom Fremdenverkehr und von der Ausfuhr pflanzlicher Stoffe für Polsterzwecke, die Haupteinnahme sei ein Krieg, den das Land mit dem Nachbarstaat um ein Gebiet in der großen Sandwüste führe, wo außer einigen verlausten Beduinen und Wüstenflöhen niemand lebe, wohin sich nicht einmal der Tourismus vorgewagt habe, ein Krieg, der nun schon seit zehn Jahren dahinmotte und längst nur noch dazu diene, die Produkte aller waffenexportierenden Länder zu 57
testen, nicht nur französische, deutsche, englische, italienische, schwedische, israelische, schweizerische Panzer kämpften gegen russische und tschechische, sondern auch russische gegen russische, amerikanische gegen amerikanische, deutsche gegen deutsche, schweizerische gegen schweizerische, überall in der Wüste fänden sich verlassene Panzerschlachtfelder, der Krieg suche sich immer neue Schauplätze, folgerichtig, weil nur durch den Waffenexport die Konjunktur einigermaßen stabil bleibe, gesetzt, die Waffen seien wettbewerbsfähig, fortwährend brächen wirkliche Kriege aus, wie der zwischen Iran und Irak zum Beispiel, er brauche weitere nicht aufzuzählen, da komme das Erproben von Waffen zu spät, daher küm-mere sich die Waffenindustrie um so intensiver um den unbe-deutenden Krieg hierzulande, der längst seinen politischen Sinn verloren habe, es handle sich um einen Scheinkrieg, die In-struktoren der waffenliefernden Industrienationen bildeten der Hauptsache nach Einheimische aus, Berber, Mauren, Araber, Juden, Neger, arme Teufel, die durch diesen Krieg privilegiert worden seien, kämen sie einigermaßen davon, doch nun sei das Land unruhig geworden, die Fundamentalisten sähen in diesem Krieg eine westliche Schweinerei, was ja stimme, zähle man den Warschauer Pakt auch dazu, der Chef des Geheimdienstes versuche aus dem Krieg einen internationalen Skandal zu machen, dazu sei ihm der Fall Sörensen willkommen, auch die Regierung möchte ihn einstellen, möchte, stehe dann aber vor einem wirtschaftlichen Desaster, der Generalstabchef schwanke noch und die Saudis seien unentschlossen, der Polizeichef wolle ihn weiterführen, er sei von den waffenproduzierenden Ländern bestochen, auch, wie man munkle, von den Israelis und vom Iran, und versuche die Regierung zu stürzen, unterstützt von den aus allen Windrichtungen herbeigeeilten sonst arbeitslosen Kameramännern und Fotografen, dieser Krieg sei ihr tägliches Brot, denn sein Sinn liege ja nur darin, daß er 58
beobachtet werden könne, nur so seien die Waffen zu testen und ihre Schwächen und Fehlkonstruktionen zu erkennen und zu verbessern und was ihn betreffe – er lachte, nahm neues Milchpulver und Wasser, während sie ihr Frühstück längst beendet hatte –, nun, da müsse er wohl etwas weiter ausholen, jeder habe seine Geschichte, sie die ihre, er die seine, er wisse nicht wie ihre begonnen habe, wolle es auch nicht wissen, die seine habe an einem Montag abend in New York in der Bronx begonnen, sein Vater habe einen kleinen Fotoladen gehabt, Hochzeiten fotografiert und jeden, der sich fotografieren lassen wollte und einmal
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