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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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wieder. Rhuarc ist ein weiser und geduldiger Mann, aber das trifft nicht auf alle Clanhäuptlinge zu. Ich weiß, dass sich einige fragen, ob es die richtige Entscheidung war, Rand al'Thor zu folgen.«
    »Das stimmt«, sagte Melaine. »Aber sieh dir an, was aus den Shaido wurde.«
    »Ich habe nicht gesagt, dass sie recht haben, Weise Frau.« Ein paar Soldaten versuchten zögernd, den glasigen schwarzen Hügel vom Boden zu lösen. Anscheinend war er mit der Erde verschmolzen. Aviendha senkte die Stimme. »Es ist falsch von ihnen, den Car'a'carn anzuzweifeln, aber sie reden miteinander. Rand al'Thor muss erkennen, dass sie nicht eine Beleidigung nach der anderen endlos schlucken werden. Vielleicht wenden sie sich nicht gegen ihn wie die Shaido, aber es würde mich nicht überraschen, sollte etwa Timolan einfach ins Dreifache Land zurückkehren und den Car'a'carn seiner Arroganz überlassen.«
    Melaine nickte. »Mach dir da mal keine Sorgen. Wir sind uns dieser ... Möglichkeit bewusst.«
    Das bedeutete, dass man Weise Frauen losgeschickt hatte, um Timolan, den Häuptling der Miagoma Aiel, zu beschwichtigen. Es würde nicht das erste Mal sein. Wusste Rand al'Thor eigentlich, wie sehr sich die Weisen Frauen hinter seinem Rücken bemühten, die Loyalität der Aiel aufrechtzuerhalten? Vermutlich nicht. Er sah sie alle als homogene Gruppe, die ihm verschworen war und benutzt werden konnte. Das war eine von Rands größten Schwächen. Er konnte nicht begreifen, dass Aiel genauso wenig wie andere Menschen auch gern als Werkzeuge benutzt wurden. Die Clans waren viel weniger miteinander verbunden, als er glaubte. Seinetwegen hatte man Blutfehden hintangestellt. Konnte er denn nicht begreifen, wie unglaublich das war? Sah er denn nicht, wie zerbrechlich diese Allianz auch weiterhin war?
    Aber er war nicht nur von Geburt Feuchtländer, er war auch keine Weise Frau. Wenige Aiel sahen die Arbeit, die die Weisen Frauen auf Dutzenden verschiedenen Gebieten verrichteten. Wie einfach war Aviendha doch das Leben erschienen, als sie noch eine Tochter gewesen war! Damals hätte sie es maßlos verblüfft, hätte sie erfahren, was da alles hinter ihrem Rücken vorging.
    Melaine starrte das beschädigte Gebäude an. »Das Relikt eines Relikts«, sagte sie, als würde sie mit sich selbst sprechen. »Und wenn er uns verbrannt und zerstört zurücklässt, so wie diese Bretter? Was wird dann aus den Aiel? Schleppen wir uns zurück ins Dreifache Land und machen so weiter wie zuvor? Viele werden nicht gehen wollen. Diese Länder können so viel bieten.«
    Das Gewicht dieser Worte ließ Aviendha blinzeln. Sie hatte kaum darüber nachgedacht, was wohl geschehen würde, nachdem der Car'a'carn mit ihnen fertig war. Sie konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt, darauf, ihre Ehre zurückzugewinnen und da zu sein, um Rand al'Thor in der Letzten Schlacht zu beschützen. Aber eine Weise Frau konnte nicht nur an das Jetzt oder das Morgen denken. Sie musste an die vor ihnen liegenden Jahre und die Zeiten denken, die ihnen der Wind bringen würde.
    Das Relikt eines Relikts. Er hatte die Aiel als ein Volk zerbrochen. Was würde aus ihnen werden?
    Melaine musterte sie wieder; ihre Miene wurde weicher. »Geh zu den Zelten und ruh dich aus, Kind. Du siehst aus wie ein Sharadan, der drei Tage auf dem Bauch über den Sand gekrochen ist.«
    Aviendha sah auf ihre Arme herab, entdeckte die Ascheflocken von dem Brand. Ihre Kleidung war nass und schmutzig, und sie vermutete, dass ihr Gesicht genauso dreckig war. Ihre Arme schmerzten vom Steineschleppen. Sobald sie sich ihrer Erschöpfung bewusst wurde, schien sie wie ein Windsturm über sie hereinzubrechen. Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, aufrecht stehen zu bleiben. Sie würde sich nicht dadurch entehren, dass sie zusammenbrach! Aber sie wandte sich wie befohlen ab, um zu gehen.
    »Oh, eines noch, Aviendha«, rief Melaine. »Wir reden morgen über deine Strafe.«
    Entsetzt drehte sie sich um.
    »Weil du mit den Steinen nicht fertig geworden bist«, sagte Melaine und betrachtete wieder die Zerstörungen. »Und weil du nicht schnell genug lernst. Geh.«
    Aviendha seufzte. Eine weitere Runde Fragen, eine weitere unverdiente Strafe. Es gab also einen Zusammenhang. Aber wie sah er aus?
    Im Moment war sie zu erschöpft, um darüber nachzudenken. Sie wollte bloß noch in ihr Bett und ertappte sich dabei, wie sie verräterischerweise an die weiche, luxuriöse Matratze im Palast von Caemlyn dachte. Sie verbannte

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