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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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derselben Schwester wiederholt. Und doch hatte man ihr am Morgen gesagt, dass das der erste Besuch des Tages für sie zu sein hatte.
    Als sie den Ostflügel erreichte, in dem sich nun der Sektor der Braunen in der Burg befand, nahmen ihre Roten Aufpasser zögernd im Korridor davor Aufstellung, um auf ihre Rückkehr zu warten. Vermutlich wäre es Elaida lieber gewesen, wenn sie bei Egwene geblieben wären, aber nachdem die Roten ihr Gebiet so übertrieben beschützten, konnte man nicht davon ausgehen, dass eine andere Ajah zwei Rote Schwestern in ihr Quartier ließen - nicht einmal die sanften Braunen. Egwene beschleunigte ihre Schritte, als sie den Teil mit den braunen Bodenfliesen erreichte, passierte hin- und hereilende Frauen in unauffälligen Kleidern. Es würde ein langer Tag werden, mit den Terminen bei den Schwestern, den bereits anberaumten Strafsitzungen und der üblichen Novizinnenarbeit wie Böden schrubben und anderen Pflichten.
    Sie kam zu Bennaes Tür, zögerte dann aber. Die meisten Schwestern erklärten sich nur gezwungenermaßen bereit, sie zu unterrichten, und es war oft eine unerfreuliche Erfahrung. Manche ihrer Lehrerinnen verabscheuten sie wegen ihrer Verbindung zu den Rebellen, andere ärgerte es, wie mühelos sie Gewebe webte, und wiederum andere waren außer sich, wenn ihnen klar wurde, dass sie ihnen nicht den Respekt einer Novizin erweisen würde.
    Allerdings waren diese »Lektionen« oftmals die beste Möglichkeit, die Saat gegen Elaida zu säen. Bei dem ersten Besuch bei Bennae hatte sie etwas davon eingepflanzt. War sie nun erblüht?
    Egwene klopfte und trat ein, nachdem man sie dazu aufforderte. Das Wohnzimmer war vollgestopft mit dem angesammelten Ramsch eines gelehrten Lebens. Bücherstapel lehnten wie miniaturisierte Stadttürme aneinander. Skelette diverser Kreaturen waren in verschiedenen Stadien der Konstruktion montiert; die Frau besaß genug Knochen, um eine Menagerie zu bevölkern. Ein in der Ecke stehendes menschliches Skelett ließ Egwene frösteln; es stand aufrecht und war mit Garn zusammengebunden, mit schwarzer Tinte waren Anmerkungen direkt auf die Knochen geschrieben.
    Hier war kaum genug Raum, um sich zu bewegen, und nur ein Sitzplatz - Bennaes gepolsterter Stuhl, dessen Armlehnen zwei identische abgeschabte Einbuchtungen aufwiesen. Zweifellos ruhten dort die Arme der Braunen während zahlloser spätnächtlicher Lesestunden. Die niedrige Decke fühlte sich noch niedriger an, weil von ihr mehrere mumifizierte Vögel und astronomische Apparate hingen. Egwene musste wegen eines Modells der Sonne den Kopf senken, um den Platz zu erreichen, an dem Bennae gerade einen Stapel in Leder eingebundener Bücher durchblätterte.
    »Ah«, sagte sie, als sie Egwene bemerkte. »Gut.« Auf eine knochige Weise schlank, hatte das Alter ihr dunkles Haar mit grauen Strähnen durchzogen. Das Haar hatte sie zu einem festen Knoten zurückgebunden, und wie viele Braune trug sie ein einfaches Kleid, das schon seit zwei Jahrhunderten nicht mehr modern war.
    Bennae ging zu ihrem Lehnstuhl und ignorierte die härteren Stühle vor dem Kamin - seit Egwenes letztem Besuch hatten sich dort Papierstapel angesammelt. Egwene räumte einen Stuhl leer und stellte ein staubiges Rattenskelett zwischen zwei Bücherstapel über die Herrschaft Artur Falkenflügels auf den Boden.
    »Nun, dann sollten wir mit Eurem Unterricht weitermachen«, sagte Bennae und ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken.
    Egwene ließ sich nichts anmerken. Hatte Bennae um die Gelegenheit gebeten, sie weiter zu unterrichten? Oder hatte man sie dazu genötigt? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine unkomplizierte Braune Schwester mehrfach zu einer Arbeit zwangsverpflichtet wurde, die sonst keiner wollte.
    Nach Bennaes Bitten erschuf Egwene eine Reihe von Geweben, die weit über die Fähigkeiten der meisten Novizinnen hinausgegangen wären, die ihr aber trotz der Beschneidung ihrer Macht durch die Spaltwurzel leichtfielen. Sie versuchte Bennae die Ansicht der Braunen über den Standortwechsel ihres Quartiers zu entlocken, aber wie die meisten Braunen, mit denen sie gesprochen hatte, zog sie es vor, dieses Thema zu meiden.
    Egwene erschuf weitere Gewebe. Nach einer Weile fragte sie sich, was sie eigentlich hier sollte. Hatte Bennae sie nicht bei ihrem letzten Besuch gebeten, genau dieselben Gewebe zu demonstrieren?
    »Sehr gut«, sagte Bennae und holte sich eine Tasse Tee aus dem Kessel, der auf einem kleinen Kohlebecken stand und

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