Der Bernstein-Mensch
Wahrheit und doch nicht banal. Paul Smith hatte fünf Jahre seines Lebens geopfert und rund sechzig Millionen Kilometer durch den Weltraum zurückgelegt, nur um herauszufinden, daß er das Ziel all dieser Anstrengungen leidenschaftlich verabscheute.
Es schien ihm, als verhöhne der Mars seine eigene Welt. Die Berge reichten höher; mit jeder Umkreisung passierte er die Kuppe des Olympus Mons, und inzwischen weigerte er sich, auch nur noch hinzusehen. Die Canons schnitten sich tiefer in den Boden, die Ebenen erstreckten sich weiter. Und das Leben – Leben auf dem Mars! – war eine Verhöhnung des Lebens. Ein Leben, das vielleicht einstmals in relativer Schönheit erblüht war (zumindest war das die Theorie einiger Wissenschaftler), aber das jetzt in einer Umgebung von infernalischer Häßlichkeit existierte. Deswegen haßte er diesen verdammten Planeten: Er war häßlich – und nicht etwa, weil ihm die Phantasie fehlte, um die Schönheiten zu erkennen. Häßlich, häßlich, häßlich!
Smith erinnerte sich daran, wie die Erde vom Weltraum aus ausgesehen hatte; es war ein vertrauter Anblick gewesen, aber niemals eintönig, nicht einmal nach einem Jahr der vorbereitenden Experimente und Manöver im Orbitallabor. Die Erde nahm einem wirklich den Atem! Grün und azurblau, braun und flaumigweiß … Nicht dieses – nicht rot!
Er studierte das kraterzernarbte Terrain. Es gehörte zur südlichen Hemisphäre; die Nordhalbkugel, wo eine stärkere vulkanische Aktivität herrschte, war weniger fad. Trotzdem, manchmal vermutete er, daß Kastor seine wirklichen Gefühle verstand – das erklärte vielleicht, warum Kastor in einer unerwarteten und nicht näher erläuterten Abänderung seiner Pläne entschieden hatte, den jungen Reynolds mit hinunterzunehmen und nicht den erfahreneren Smith, der dieser Entscheidung auch nicht widersprochen hatte. Kastor hatte behauptet, der Grund sei, daß sie einen erfahrenen Mann im Orbit brauchten, während sie unten mit Morgan und McIntyre genug davon hätten. Smith hatte gar nichts gesagt. Kastor hatte darauf hingewiesen, daß Reynolds, ein Astronom, schon mehr über marsianische Lebensformen wußte als Smith, der Offizier war. Smith hatte keine Einwände erhoben. Viel später, als die anderen schliefen, hatte er den jungen Reynolds gefragt, ob er je Die Prinzessin vom Mars von Edgar Rice Burroughs gelesen habe. Als Reynolds ihn verständnislos ansah, hatte Smith gelacht und gesagt: „Dann, schätze ich, wissen Sie doch nicht so verdammt viel über das marsianische Leben, wie Kastor glaubt.“
Paul Smith zwang sich zu einer Bewegung. Er öffnete seine Haltegurte, schwebte sanft nach oben und stieß sich ab. Er trieb quer durch den Kommandoraum, prallte leicht gegen eine Wand und glitt im Abprallen direkt in den Sitz vor dem Radio. Er überprüfte seine Höhe und bestätigte seine Position bezüglich der Marsoberfläche. Hellas würde zwar erst in zehn Minuten in Sicht kommen, aber er beschloß, jetzt schon zu rufen. Er sprach leise, aber seine Stimme dröhnte trotzdem. „Nixon Basis, hier ist Fresno . Nixon Basis, hier ist Fresno . Nixon Basis, hier ist Fresno .“
Stille. Offenbar hatte Kastor es nicht so eilig.
Plötzlich erfaßte ihn wütende Ungeduld. Smith wollte die Sache hinter sich bringen, damit er wieder ans Fenster zurückkehren konnte. Schon in der kurzen Zeit bis jetzt hatte er begonnen, die Einsamkeit als ungewöhnlich angenehm zu empfinden. Während der zweiten Woche hatte er die feinen, spinnwebartigen Netze der straffen blauen Venen auf seinen Handrücken entdeckt. „Nixon Basis, hier ist Fresno.“
Kastor rührte sich. „Hallo, Fresno , hier ist Nixon Basis. Paul, sind Sie es?“
Nein, hier ist Edgar Rice Burroughs, du Blödmann. „Ja, Jack.“
„Wie sieht’s aus? Irgend etwas Interessantes dort oben?“
„Nö. Alles mäuschenstill.“ Smith versuchte, sich die Männer dort unten vorzustellen. Die Ebene von Hellas, flach wie eine Kinderbrust. Der rote Staub, in Haufen und kleinen Hügeln. Der heulende, seltsam kraftlose Wind. Der Horizont, so nah, daß man ihn berühren konnte. Vier Gestalten in unförmigen Anzügen. Die Kriechfahrzeuge, die aussahen wie Gottesanbeterinnen …
Kastor bediente das Radio. Einmal hatte er McIntyre reden lassen, aber da war es um eine geologische Angelegenheit gegangen. Wenn Smith die Funksprüche des Trupps empfangen hatte, schickte er sie nach Houston weiter, wo sie dann die Höhepunkte der Konversation zusammen mit alten
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