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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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daß morgen ...!
    Der Vater hört mir ernsthaft zu und bestärkt mich noch in meiner Hoffnung. Er glaubt gern – und sagt es wenigstens, – daß der Himmel die Ueberlebenden verschonen werde, und er überhäuft seinen Sohn mit Liebkosungen, mit den letzten des zärtlichen Vaterherzens.
    Später, als ich mit ihm allein war, neigte sich Mr. Letourneur dicht zu mir.
    »Ich empfehle Ihnen mein unglückliches Kind, flüstert er, und möge es ihm nie bekannt werden, daß ...«
    Er vermag den Satz nicht zu vollenden, heiße Thränen entquellen seinen Augen!
    Ich, – ich bin ganz Hoffnung.
    Ohne mich einen Augenblick abzuwenden, betrachte ich den Horizont und durchlaufe ihn mit den Blicken in seinem ganzen Umfange. Noch ist er leer, aber das beunruhigt mich nicht. Noch vor morgen wird das Land oder ein Segel gemeldet werden.
    Robert Kurtis beobachtet das Meer ebenso wie ich. Miß Herbey, Falsten, selbst der Hochbootsmann fassen ihre ganze Lebensenergie in den Augen zusammen.
    Inzwischen sinkt die Nacht herab, doch ich habe die felsenfeste Ueberzeugung, daß ein Fahrzeug bei dieser Dunkelheit uns nahe genug kommen werde, um unsere Signale mit Tagesanbruch sehen zu können.

LV.
    Am 27. Januar.
    – Ich schließe kein Auge und höre das geringste Geräusch, das Plätschern des Wassers, das Murmeln der Wellen. Ich mache die auffällige Beobachtung, daß sich kein Haifisch mehr in der Nähe des Flosses befindet. Ich erblicke darin ein glückverheißendes Vorzeichen.
    Der Mond ist um zwölf Uhr sechsundvierzig Minuten aufgegangen und zeigt sein letztes Viertel, doch gestattet mir sein unzureichendes Licht nicht, das Meer in einem größeren Umkreise zu überblicken. Wie häufig glaubte ich in der Entfernung einiger Kabellängen das so ersehnte Segel zu erschauen!
    Aber der Morgen kommt, und die Sonne steigt über derselben Wasserwüste auf.
    Der schreckliche Augenblick nahet, und ich fühle alle meine Hoffnungen des letzten Tages wieder verlöschen. Das Schiff erscheint nicht, ebenso wenig das Land. Ich kehre zur Wirklichkeit zurück, und in mir lebt die Erinnerung auf. Jetzt ist die Stunde, in der die schreckliche Hinrichtung stattfinden soll! Ich wage das Opfer nicht mehr anzusehen, und wenn seine so wohlwollenden, so resignirten Blicke sich auf mich richten, schlage ich die Augen nieder.
    Ein unbesiegbarer Schrecken schnürt mir die Brust zusammen, und mein Kopf schwindelt, als ob ich betrunken wäre.
    Es ist jetzt sechs Uhr Morgens. Ich glaube an keine göttliche Hilfe mehr. Mein Herz schlägt mehr als hundert Mal in der Minute, und ein kalter Angstschweiß dringt mir aus allen Poren.
    Der Hochbootsmann und Robert Kurtis, die am Maste stehen, forschen unausgesetzt über den Ocean. Der Hochbootsmann ist schrecklich anzusehen. Man erkennt wohl an ihm, daß er der Stunde nicht vorgreifen, aber auch, daß er sie nicht vorübergehen lassen wird. Es ist mir unmöglich, zu errathen, welches die Empfindungen des Kapitäns sind, doch sein Gesicht ist bleich, und er scheint nur noch mit den Augen zu leben.
    Die Matrosen schleppen sich über die Plateform, und mit ihren gierigen Blicken verschlingen sie schon das unglückliche Opfer.
    Ich vermag mich nicht mehr auf meinem Platze zu halten und rutsche nach dem Vordertheil des Flosses hin.
    Immer auslugend steht der Hochbootsmann da.
    »Nun denn!« ruft er plötzlich.
    Ich schnelle bei diesen Worten in die Höhe.
    Der Hochbootsmann, Daoulas, Flaypol, Burke, Sandon begeben sich nach dem Hintertheile, und krampfhaft erfaßt der Zimmermann die Axt!
    Miß Herbey kann jetzt einen Schrei nicht unterdrücken.
    Plötzlich richtet sich André auf.
    »Mein Vater? spricht er mit erstickter Stimme.
    – Das Loos hat mich getroffen ...« antwortet Mr. Letourneur.
    André stürzt sich auf seinen Vater und umschlingt ihn mit den Armen.
    »Nie! Niemals! brüllt er. Eher tödtet mich! Bringt mich doch um! Ich bin es gewesen, der Hobbart's Leiche in's Meer geworfen hat. Ich bin es, ich bin es, den Ihr erwürgen müßt!«
    Der Unglückliche!
    Seine Worte steigern nur die Wuth der Henker, und Daoulas geht auf ihn zu und entreißt ihn den Armen des Mr. Letourneur mit den Worten:
    »Nicht so viel Umstände!«
    André stürzt rückwärts nieder, und zwei Matrosen fesseln ihn, so daß ihm jede Bewegung geraubt ist.
    Zu gleicher Zeit ergreifen Burke und Flayvol ihr Opfer und zerren es nach dem Vordertheil des Flosses.
    Dieser schreckliche Auftritt vollzog sich schneller, als ich ihn zu beschreiben im Stande

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