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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Verschwörung. Ich möchte den Herrn Major Rübezahl fragen, ob er Kenntnis hat von einem Zusammenwirken der Reichswehr mit der Organisation Consul beziehungsweise dem Kapitän Hermann Ehrhardt.«
    »Das verstehe ich nicht. Selbst wenn es so ist, wie Sie behaupten, es ändert doch nichts an der Mordanklage«, sagte der Senatspräsident.
    »Der Angeklagte hält Volksreden«, empörte sich der Oberreichsanwalt.
    Der Senatspräsident winkte ab.
    »Der Sinn dieser Mordanklage ist leicht zu verstehen.«
    Der Senatspräsident rümpfte die Nase.
    »Die preußische Regierung und die neue Regierung des Reichs wollen mich ausschalten, weil ich weiß, wie sie an die Macht kamen. Sie haben dabei nur den Fehler gemacht, dass sie mich nicht gleich umbrachten. Vielleicht fürchteten sie Schwierigkeiten, wenn es einem ehemaligen Kommissar an den Kragen ging. Vielleicht wollten sie die Serie der Morde nicht fortsetzen. Vielleicht waren sie sich sicher, dass dieser Prozess eine schnelle Sache würde. So viele Zeugen gegen einen einzelnen, gefälschte Beweise dazu. Die Anklage hat nur mit einem nicht gerechnet, nämlich dass dieser Senat noch an das Recht glaubt. Wohl in anderer Weise als ich, aber immerhin darf ein mit dem Todesurteil bedrohter Angeklagter seine Sache vertreten. Und das allein genügt schon, um die Anklage zu vernichten. Dieser Oberreichsanwalt ist Teil der Verschwörung.« Ich zeigte auf Voß.
    Voß sprang auf und schlug auf den Tisch. »Jetzt reicht es! Ich beantrage eine Vertagung.«
    »Angeklagter, ich werde dem Antrag des Oberreichsanwalts folgen und die Verhandlung vertagen. Ich habe vorher noch eine Frage: Können Sie uns auch erzählen, warum Dr. Olendorff ermordet wurde, wenn Sie es nicht waren?«
    »Dazu habe ich eine Theorie. Ich würde ihr folgen, wenn ich die Ermittlungen zu führen hätte. Koletzke und Engert erhielten ihre Aufträge von Ehrhardt. Olendorff hat mitbekommen, was im Keller des Motorboot-Klubs geschehen war und dass Koletzke und Engert Serienmörder waren. Olendorff war ein Berliner Industrieller, verstrickt in die geheime Aufrüstung der Reichswehr und in die OC, aber mit Serienmord wollte er nichts zu tun haben. Als er entdeckte, dass ich ihm auf den Fersen war, wollte er sich aus seiner Verstrickung lösen. Er war eine weiche Stelle in der Verschwörung, deshalb hat Koletzke ihn umgebracht.«
    »Wüste Spekulation!« donnerte Voß.
    »Weniger wüst als Ihre Anklageschrift«, erwiderte ich. »Und sollte Alexander die Fahndung der Polizei überleben, wird er die Täter des Röhm-Mords identifizieren.«
    »Das ist eine Unverschämtheit.«
    »Das ist eine Gewissheit, Herr Oberreichsanwalt.«
    »Ich bitte Sie, meine Herren« sagte der Senatspräsident. »Die Verhandlung ist vertagt auf übermorgen.«
    *
    In der Nacht lag ich auf der Pritsche und kriegte die Augen nicht zu. Ich erwog meine Möglichkeiten. Wenn ich das Bild einer Verschwörung vervollständigte, befreite ich mich nicht von der Mordanklage. Aber ich säte Zweifel. Hatte das Gericht Zweifel, würde es mich nicht verurteilen, jedenfalls nicht zum Tod. Der Mord an Olendorff gehörte zur Verschwörung der Organisation Consul mit ihren Verzweigungen in Politik, Wirtschaft und Reichswehr. Die Spinne im Netz, Kapitän Ehrhardt, konnte ich entlarven, aber nicht stellen. Wie sollte ich ihn nach Deutschland holen?
    Als ich die Schritte im Gang hörte, wusste ich, was geschehen würde. Ich war innerlich vorbereitet. Ich formte Pritschendecke und Kopfkissen so, dass man ein paar Sekunden glauben konnte, ich schliefe. Dann stellte ich mich neben die Tür und wartete. Draußen mühte sich jemand, die Türverriegelung leise zu öffnen. Die Tür wurde vorsichtig aufgeschoben. Im Licht, das von den Hoflaternen durch mein Zellenfenster fiel, sah ich zuerst das Messer. Ein Mann schlich sich zum Bett. Als ich ihm im Rücken stand, packte ich ihn an Hals und Arm. Ich riss den Arm nach hinten, bis es krachte. Ein Schrei, das Messer klapperte auf dem Boden. Ich stieß den Mann auf die Pritsche, setzte mich auf seinen Rücken und bog den unversehrten Arm nach hinten, bis er stöhnte.
    »Wer schickt dich?«
    Er sagte nichts.
    Das Schultergelenk knirschte, als ich den Arm ein Stück weiter bog.
    »Es war ein Los.«
    »Was für ein Los?«
    »Ich fand es gestern im Briefkasten. Darauf stand: >Töten Sie Soetting, sofort!««
    »Und weil dir irgendwer einen Zettel in den Briefkasten wirft, bringst du einen fremden Mann um. Ich dachte, du bist Wärter und

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