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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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hier in der Einzahl und im ersten Fall, und das Attribut »gut« wird entsprechend zu »guter«. Das ist die starke Deklination. Bei der starken Deklination lässt sich das Geschlecht an der Endung des Attributs ablesen: »-er« ist männlich (wie das männliche Pronomen »er«), »-es« ist sächlich (wie das sächliche Pronomen »es«): »Neues Spiel, neues Glück.«
    Steht vor dem Attribut aber ein Geschlechtswort (Artikel), hat dies Konsequenzen für die Endung: Aus »guter Rat« wird »der gute Rat« – das Attribut hat das männliche »r« am Ende eingebüßt. Das ist die schwache Deklination. Sie wird deshalb »schwach« genannt, weil sie keine geschlechtsspezifischen Endungen hat. Die Aufgabe der Geschlechtsmarkierung hat sie an den Artikel abgetreten. Und so genügt es nach sprachlicher Logik auch: Wenn »der«, »die« oder »das« davorsteht, braucht das Attribut nicht zusätzlich noch durch seine Endung anzuzeigen, mit welchem Geschlecht man es zu tun hat.
    Und dann gibt es noch die gemischte Deklination. Sie steht hinter unbestimmtem Artikel (»ein«, »eine«, »ein«), und weil dieser unbestimmte Artikel nicht immer eine klare Geschlechtszuweisung zulässt (denn »ein« kann sowohl männlich als auch sächlich sein), ist die gemischte Deklination teils schwach und teils stark.
    Die schwache und die gemischte Deklination kommen nur zum Einsatz, wenn vor dem Attribut ein Geschlechtswort steht. Oder ein besitzanzeigendes Fürwort (Possessivpronomen) wie »mein«, »dein« und »sein«. Das ist der Fall bei »die letzten Tage« und bei »seine letzten Tage«, aber nicht bei »Honeckers letzte Tage«, denn »Honecker« ist weder ein Artikel noch ein Pronomen. »Honecker« ist ein Name. Und hinter Namen sieht die Grammatik starke Beugung vor.
    Die besten Weine Frankreichs sind »Frankreichs beste Weine«, die gesammelten Werke Loriots sind »Loriots gesammelte Werke«, und die vielen Facebook-Freunde der Kanzlerin sind »Merkels viele Facebook-Freunde«.
    Und so fasst man die letzten Tage Honeckers in Deutschland unter der Überschrift »Honeckers letzte Tage in Deutschland« zusammen, sowohl im Nominativ als auch im Akkusativ, wenn es heißt: »Friedler untersucht Honeckers letzte Tage in Deutschland.«
    Stark gebeugt wird auch hinter Hauptwörtern: Das Andersen-Märchen vom leichtgläubigen Herrscher, der auf zwei raffinierte Betrüger hereinfällt, heißt »Des Kaisers neue Kleider« und nicht »Des Kaisers neuen Kleider«. Und damit haben wir der Grammatik unergründliche Tiefen genug durchgraben.
    Vergangene Nacht hatte ich einen Traum. Ich saß in einer Gefängniszelle, meine Hände waren gefesselt, und es sah nicht gut aus für mich. Ein Mann mit schütterem Haar und einer dicken Hornbrille betrat den Raum. »Noch irgendwelche letzte Worte?«, fragte er mich in heiserem Tonfall. »Letzten!«, stieß ich hervor. »Das Attribut wird schwach gebeugt!« – »Schwäche können wir uns nicht leisten!«, krächzte der Mann mit der dicken Brille zurück. Ich entgegnete trotzig: »Sie haben den Willen der Menschen nicht beugen können, und Sie können auch grammatisch nicht richtig beugen! Sie werden nicht weit kommen!« – »Und ob!«, ereiferte sich der Mann, »ich habe schließlich noch Margots sämtlichen Devisen!« – »Sämtliche!«, stellte ich klar und fügte erklärend hinzu: »Hinter Margot wird stark gebeugt!« – »Ich denke ja nicht dran!«, zeterte der Mann und wirkte sehr aufgebracht: »Margot beuge ich mich kein bisschen mehr! Die Zeiten sind endgültig vorbei!«

Das bisschen Haushalt
    Frage eines Lesers aus Weinsheim (Eifel): Sehr geehrter Herr Sick! Seit ein paar Wochen schwindet das bisschen Hoffnung, ich käme noch von selbst darauf, wieso es »das bisschen Hoffnung« heißt, obwohl »die Hoffnung« doch nun wirklich sehr feminin ist – jedenfalls in grammatischer Hinsicht.
    Da ich weiß, dass Sie ein großer Anhänger der deutschen Schlagermusik sind, kann man die Frage auch gerne auf den Haushalt beziehen. Wieso sang Johanna von Koczian, ihr Mann sei der Meinung, dass sich »das bisschen Haushalt« von allein mache? Der Haushalt ist doch maskulin. Konsequenterweise hätte Frau von Koczian singen müssen: »Der bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann«.
    Herr Sick, das letzte bisschen Hoffnung schwindet, ich komme einfach nicht weiter. Ich bin so durch den Wind, dass ich meiner Frau nicht einmal mehr im Haushalt helfen kann. Ich bitte um Aufklärung!
    Antwort des

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