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Der Doktor Faust (German Edition)

Der Doktor Faust (German Edition)

Titel: Der Doktor Faust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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dieses war der wahre, große Höllenzwang, welcher den Faust und so viele seiner Zeitgenossen köderte und verführte. Faust, sowohl der historische als der sagenhafte, war einer jener Humanisten, welche das Griechentum, griechische Wissenschaft und Kunst, in Deutschland mit Enthusiasmus verbreiteten. Der Sitz jener Propaganda war damals Rom, wo die vornehmsten Prälaten dem Kultus der alten Götter anhingen, und sogar der Papst, wie einst sein Reichsvorgänger Constantinus, das Amt eines Pontifex Maximus des Heidentums mit der Würde eines Oberhauptes der christlichen Kirche kumulierte. Es war die sogenannte Zeit der Wiederauferstehung oder besser gesagt der Wiedergeburt der antiken Weltanschauung, wie sie auch ganz richtig mit dem Namen Renaissance bezeichnet wird. In Italien konnte sie leichter zur Blüte und Herrschaft gelangen, als in Deutschland, wo ihr durch die gleichzeitige neue Bibelübersetzung auch die Wiedergeburt des judäischen Geistes, die wir die evangelische Renaissance nennen möchten, so bilderstürmend fanatisch entgegentrat. Sonderbar! die beiden großen Bücher der Menschheit, die sich vor einem Jahrtausend so feindlich befehdet und wie kampfmüde während dem ganzen Mittelalter vom Schauplatz zurückgezogen hatten, der Homer und die Bibel, treten zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wieder öffentlich in die Schranken. Wenn ich oben aussprach, daß die Revolte der realistischen, sensualistischen Lebenslust gegen die spiritualistisch altkatholische Askese, die eigentliche Idee der Faustsage ist: so will ich hier darauf hindeuten, wie jene sensualistische, realistische Lebenslust selbst im Gemüte der Denker zunächst dadurch entstanden ist, daß dieselben plötzlich mit den Denkmalen griechischer Kunst und Wissenschaft bekannt wurden, daß sie den Homer lasen, sowie auch die Originalwerke von Plato und Aristoteles. In diese beiden hat Faust, wie die Tradition ausdrücklich erzählt, sich so sehr vertieft, daß er sich einst vermaß: gingen jene Werke verloren, so würde er sie aus dem Gedächtnisse wiederherstellen können, wie weiland Esra mit dem Alten Testamente getan. Wie tief Faust in den Homer eingedrungen, merken wir durch die Sage, daß er den Studenten, die bei ihm ein Kollegium über diesen Dichter hörten, die Helden des Trojanischen Krieges in Person vorzuzaubern wußte. In derselben Weise beschwor er ein andermal, zur Unterhaltung seiner Gäste, ebendie schöne Helena, die er später für sich selber vom Teufel begehrte und bis zu seinem unseligen Ende besaß, wie das ältere Faustbuch berichtet. Das Buch von Widman übergeht diese Geschichten und der Verfasser äußert sich mit den Worten:
    »Ich mag dem christlichen Leser nicht fürenthalten, daß ich an diesem Orte etliche Historien von D. Johanne Fausto gefunden, welche ich aus hochbedenklichen christlichen Ursachen nicht habe hierhersetzen wollen, als, daß ihn der Teufel noch fortan vom Ehestand abgehalten, und in sein höllisches, abscheuliches Hurennetz gejagt, ihm auch Helenam aus der Hölle zur Beischläferin zugeordnet hat, die ihm auch fürs erste ein erschreckliches Monstrum, und darnach einen Sohn mit Namen Justum geboren.«

Die zwei Stellen im älteren Faustbuch, welche sich auf die schöne Helena beziehen, lauten wie folgt:
    »Am Weißen Sonntag kamen oftgemeldete Studenten unversehens wieder in D. Fausti Behausung zum Nachtessen, brachten ihr Essen und Trank mit sich, welches angenehme Gäste waren. Als nun der Wein einging, wurde am Tisch von schönen Weibsbildern geredet, da einer unter ihnen anfing, daß er kein Weibsbild lieber sehen wollte, als die schöne Helenam aus Graecia, derowegen die schöne Stadt Troja zugrund gegangen wäre, sie müßte schön gewesen sein, weil sie so oft geraubt worden, und wodurch solche Empörung entstanden wäre. Weil ihr denn so begierig seid, die schöne Gestalt der Königin Helenae, Menelai Hausfrau, oder Tochter Tyndari und Laedae, Castoris und Pollucis Schwester (welche die Schönste in Graecia gewesen sein soll) zu sehen, will ich euch dieselbe fürstellen, damit ihr persönlich ihren Geist in Form und Gestalt, wie sie im Leben gewesen, sehen sollt, dergleichen ich auch Kaiser Carolo Quinto auf sein Begehren, mit Fürstellung Kaiser Alexandri Magni und seiner Gemahlin, willfahren habe. Darauf verbot D. Faustus, daß keiner nichts reden sollte, noch vom Tische aufstehen, oder sie zu empfahen sich anmaßen, und geht zur Stube hinaus. Als er wieder hineingeht, folgte ihm

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