Der Doktor Faust (German Edition)
Stücken sind dann wieder in die Puppenspiele übergegangen. Solche englische Faustkomödien sind wahrscheinlich später ins Deutsche übersetzt und von den sogenannten englischen Komödianten gespielt worden, die auch schon die besten Shakespeareschen Werke auf deutschen Brettern tragierten. Nur das Repertoire jener englischen Komödiantengesellschaft ist uns notdürftig überliefert, die Stücke selbst, die nie gedruckt wurden, sind jedoch verschollen und erhielten sich vielleicht auf Winkeltheatern oder bei herumziehenden Truppen niedrigsten Ranges. So erinnere ich mich selbst, daß ich zweimal von solchen Kunstvagabonden das Leben des Fausts spielen sah und zwar nicht in der Bearbeitung neuerer Dichter, sondern wahrscheinlich nach Fragmenten alter, längst verschollener Schauspiele. Das erste dieser Stücke sah ich vor fünfundzwanzig Jahren in einem Winkeltheater auf dem sogenannten Hamburger Berge zwischen Hamburg und Altona. Ich erinnere mich, die zitierten Teufel erschienen alle tief vermummt in grauen Laken. Auf die Anrede Fausts: »Seid ihr Männer oder Weiber?« antworteten sie: »Wir haben kein Geschlecht.« Faust fragt ferner, wie sie eigentlich aussähen unter ihrer grauen Hülle? und sie erwidern: »Wir haben keine Gestalt, die uns eigen wäre, wir entlehnen nach deinem Belieben jede Gestalt, worin du uns zu erblicken wünschest: wir werden immer aussehen wie deine Gedanken.« Nach abgeschlossenem Vertrag, worin ihm Kenntnis und Genuß aller Dinge versprochen wird, erkundigt sich Faust zunächst nach der Beschaffenheit des Himmels und der Hölle, und hierüber belehrt, bemerkt er: daß es im Himmel zu kühl und in der Hölle zu heiß sein müsse; am leidlichsten sei das Klima wohl auf unserer lieben Erde. Die köstlichsten Frauen dieser lieben Erde gewinnt er durch den magischen Ring, der ihm die blühendste Jugendgestalt, Schönheit und Anmut, auch die brillanteste Ritterkleidung verleiht. Nach vielen durchschlemmten und verluderten Jahren hat er noch ein Liebesverhältnis mit der Signora Lukretia, der berühmtesten Kurtisane von Venedig: er verläßt sie aber verräterisch und schifft nach Athen, wo sich die Tochter des Herzogs in ihn verliebt und ihn heiraten will. Die verzweifelnde Lukretia sucht Rat bei den Mächten der Unterwelt, um sich an dem Ungetreuen zu rächen, und der Teufel vertraut ihr, daß alle Herrlichkeit des Faust mit dem Ringe schwinde, den er am Zeigefinger trage. Signora Lukretia reist nun in Pilgertracht nach Athen und gelangt dort an den Hof, als eben Faust, hochzeitlich geschmückt, der schönen Herzogstochter die Hand reichen will um sie zum Altar zu führen. Aber der vermummte Pilger, das rachsüchtige Weib, reißt dem Bräutigam hastig den Ring vom Finger und plötzlich verwandeln sich die jugendlichen Gesichtszüge des Faust in ein runzlichtes Greisenantlitz mit zahnlosem Munde; statt der goldenen Lockenfülle umflattert nur noch spärliches Silberhaar den armen Schädel; die funkelnde, purpurne Pracht fällt wie dürres Laub von dem gebückten, schlottrigen Leib, den jetzt nur noch schäbige Lumpen bedecken. Aber der entzauberte Zauberer merkt nicht, daß er sich solcherweise verändert oder vielmehr, daß Körper und Kleider jetzt die wahre Zerstörnis offenbaren, die sie seit zwanzig Jahren erlitten, während höllisches Blendwerk dieselbe unter erlogener Herrlichkeit den Augen der Menschen verbarg; er begreift nicht, warum das Hofgesinde mit Ekel von ihm zurückweicht, warum die Prinzessin ausruft: »Schafft mir den alten Bettler aus den Augen!« da hält ihm die vermummte Lukretia schadenfroh einen Spiegel vor, er sieht darin mit Beschämung seine wirkliche Gestalt und wird von der frechen Dienerschaft zur Tür hinausgetreten, wie ein räudiger Hund. -
Das andere Faust-Drama, dessen ich oben erwähnt, sah ich zur Zeit eines Pferdemarktes in einem hannöverschen Flecken. Auf freier Wiese war ein kleines Theater aufgezimmert, und trotzdem daß am hellen Tage gespielt ward, wirkte die Beschwörungsszene hinlänglich schauervoll. Der Dämon, welcher erschien, nannte sich nicht Mephistopheles, sondern Astaroth, ein Name, welcher ursprünglich vielleicht identisch ist mit dem Namen der Astarte, obgleich letztere in den Geheimschriften der Magiker für die Gattin des Astaroths gehalten wird. Diese Astarte wird in jenen Schriften dargestellt mit zwei Hörnern auf dem Haupte, die einen Halbmond bilden, wie sie denn wirklich einst in Phönizien als eine Mondgöttin verehrt
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