Der Doktor Faust (German Edition)
Siebenjährigen Krieg und ich hoffe Ihn einst gesund wiederzusehen!«
Viel verbreitet im Volke ist der Irrtum, unser Zauberer sei auch derselbe Faust, welcher die Buchdruckerkunst erfunden. Dieser Irrtum ist bedeutungsvoll und tiefsinnig. Das Volk identifizierte die Personen, weil es ahnte, daß die Denkweise, die der Schwarzkünstler repräsentiert, in der Erfindung des Buchdrucks das furchtbarste Werkzeug der Verbreitung gefunden, und dadurch eine Solidarität zwischen beiden entstanden. Jene Denkweise ist aber das Denken selbst in seinem Gegensatze zum blinden Credo des Mittelalters, zum Glauben an alle Autoritäten des Himmels und der Erde, einem Glauben an Entschädigung dort oben für die Entsagungen hienieden, wie die Kirche ihn dem knieenden Köhler vorbetete. Faust fängt an zu denken, seine gottlose Vernunft empört sich gegen den heiligen Glauben seiner Väter, er will nicht länger im dunkeln tappen und dürftig lungern, er verlangt nach Wissenschaft, nach weltlicher Macht, nach irdischer Lust, er will wissen, können und genießen – und, um die symbolische Sprache des Mittelalters zu reden, er fällt ab von Gott, verzichtet auf seine himmlische Seligkeit und huldigt dem Satan und dessen irdischen Herrlichkeiten. Diese Revolte und ihre Doktrin ward nun eben durch die Buchdruckerkunst so zauberhaft gewaltig gefördert, daß sie im Laufe der Zeit nicht bloß hochgebildete Individuen, sondern sogar ganze Volksmassen ergriffen. Vielleicht hat die Legende von Johannes Faustus deshalb einen so geheimnisvollen Reiz für unsre Zeitgenossen, weil sie hier so naiv faßlich den Kampf dargestellt sehen, den sie selber jetzt kämpfen, den modernen Kampf zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Autorität und Vernunft, zwischen Glauben und Denken, zwischen demütigem Entsagen und frecher Genußsucht – ein Todeskampf, wo uns am Ende vielleicht ebenfalls der Teufel holt wie den armen Doktor aus der Grafschaft Anhalt oder Kundlingen in Schwaben.
Ja, unser Schwarzkünstler wird in der Sage nicht selten mit dem ersten Buchdrucker identifiziert. Dies geschieht namentlich in den Puppenspielen, wo wir den Faust immer in Mainz finden, während die Volksbücher Wittenberg als sein Domizil bezeichnen. Es ist tief bedeutsam, daß hier der Wohnort des Faustes, Wittenberg, auch zugleich die Geburtsstätte und das Laboratorium des Protestantismus ist.
Die Puppenspiele, deren ich abermals erwähne, sind nie im Druck erschienen und erst jüngst hat einer meiner Freunde nach den handschriftlichen Texten ein solches Opus herausgegeben. Dieser Freund ist Herr Karl Simrock, welcher mit mir auf der Universität zu Bonn die Schlegelschen Kollegien über deutsche Altertumskunde und Metrik hörte, auch manchen guten Schoppen Rheinwein mit mir ausstach und sich solchermaßen in den Hülfswissenschaften perfektionierte, die ihm später zustatten kamen bei der Herausgabe des alten Puppenspiels. Mit Geist und Takt restaurierte er die verlorenen Stellen, wählte er die vorhandenen Varianten, und die Behandlung der komischen Person bezeugt, daß er auch über deutsche Hanswürste, wahrscheinlich ebenfalls im Kollegium A. W. Schlegels zu Bonn, die besten Studien gemacht hat. Wie köstlich ist der Anfang des Stücks, wo Faust allein im Studierzimmer bei seinen Büchern sitzt und folgenden Monolog hält:
»So weit hab ich's nun mit Gelehrsamkeit gebracht,
Daß ich allerorten werd ausgelacht.
Alle Bücher durchstöbert von vorne bis hinten
Und kann doch den Stein der Weisen nicht finden.
Jurisprudenz, Medizin, alles umsunst,
Kein Heil als in der nekromantischen Kunst.
Was half mir das Studium der Theologie?
Meine durchwachten Nächte, wer bezahlt mir die?
Keinen heilen Rock hab ich mehr am Leibe
Und weiß vor Schulden nicht wo ich bleibe.
Ich muß mich mit der Hölle verbünden
Die verborgenen Tiefen der Natur zu ergründen.
Aber um die Geister zu zitieren,
Muß ich mich in der Magie informieren.«
Die hierauf folgende Szene enthält hoch poetische und tief ergreifende Motive, die einer großen Tragödie würdig wären und auch wirklich größern dramatischen Dichtungen entlehnt sind. Diese Dichtungen sind zunächst der Faust von Marlowe, ein geniales Meisterwerk, dem augenscheinlich die Puppenspiele nicht bloß in bezug auf den Inhalt, sondern auch in betreff der Form nachgeahmt sind. Marlowes Faust mag auch andern englischen Dichtern seiner Zeit bei der Behandlung desselben Stoffes zum Vorbild gedient haben, und Stellen aus solchen
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