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Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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anheimgefallen sein, entweder durch das Erdbeben oder durch die Flutwelle, die diesem folgte. Ja, die Verwüstung konnte sich vielleicht gar über das ganze Gebiet des Djerid bis zum Golfe von Gabes erstreckt haben.
    Der Abend kam heran, und nachdem sie sich gegen Mittag noch einmal gesättigt hatten, war dem Kapitän Hardigan und seinen Gefährten nichts mehr zu essen übrig geblieben. Schon beim Betreten des Tell hatten sie ja gesehen, daß keine Frucht an den Zweigen der Bäume mit ihrem abgestorbenen Holze hing. Auch kein Vogel war zu erspähen, nicht einmal einer jener Habibis, die in der Ferne zahlreich vorüberzogen, rastete auf dem trostlosen Eilande; keiner der vielen Stare, mit dem sich ein vom Hunger gequälter Magen begnügt hätte. Tummelten sich auch einzelne Fische in dem neuen Gewässer, so bemühte sich der Brigadier Pistache doch vergeblich, einen davon zu fangen. Und wie sollten die Flüchtlinge endlich ihren Durst stillen, da die sie umgebende Wassermasse jetzt stark salzhaltig war?
    Da – gegen halb acht Uhr und die letzten Sonnenstrahlen wollten eben verlöschen – rief François, der nach Nordosten hinausblickte, mit einer Stimme, der übrigens keine besondre Erregung anzumerken war:
    »Ein Rauch!…
    – Ein Rauch? wiederholte der Brigadier Pistache.
    – Ja… eine Rauchsäule«, versicherte François.
    Aller Augen wandten sich in der angedeuteten Richtung hin.
    Richtig… da draußen schwebte eine Rauchsäule, die nach dem Tell zu getrieben wurde und schon ganz deutlich sichtbar war.
    Die Flüchtlinge standen wortlos an die Stelle gebannt, erfüllt von der Furcht, daß der Rauch wieder verschwinden und das Schiff, aus dem er aufwirbelte, weiter hinaus steuern und sich von dem Tell entfernen könnte.
    Die kurz vorher abgegebene Erklärung des Ingenieurs erschien hiermit also bestätigt… seine Ahnung hatte sich erfüllt.
    In der Nacht vom 26. zum 27. war das Wasser des Golfs über den ganzen östlichen Teil des Djerid hereingebrochen. Jetzt bestand also eine Verbindung zwischen der Kleinen Syrte und dem Melrir, eine Verbindung, die sogar ausreichte, daß ein Schiff sie benutzen konnte, und jedenfalls auf der Linie des Kanals, der Meeresstraße durch die Gebiete der Sebkhas und der Schotts.
    Fünfundzwanzig Minuten nach dem ersten Bemerken des Schiffes tauchte sein Schornstein am Horizonte auf, dann zeigte sich auch sein Rumpf… der Rumpf des ersten Fahrzeuges, das die Gewässer des neuen Sees durchkreuzte.
    »Schnell Signale!… Wir wollen ihm Signale geben!« rief einer der Spahis.
    Doch wie hätte der Kapitän Hardigan die Anwesenheit der Flüchtlinge auf dem beschränkten Gipfel des Eilandes zu erkennen geben sollen? War der kleine Erdhaufen überhaupt hoch genug, daß die Mannschaft jenes Schiffes ihn sehen konnte? Und obendrein befand sich dieses jetzt in einer Entfernung von zwei reichlichen Lieues im Nordosten.
    Schnell folgte die Nacht der kurzen Dämmerung und in der Dunkelheit war der Rauch bald nicht mehr sichtbar.
    Der Spahi aber, der ganz außer sich war, rief in voller Verzweiflung:
    »Wir sind verloren!
    – Nein, gerettet… im Gegenteil: gerettet, antwortete der Kapitän Hardigan. Unsre Signale, die, so lange es hell war, nicht hätten bemerkt werden können, werden in der Nacht deutlich sichtbar sein.«
    »Feuer an die Bäume! Zündet die Bäume an, setzte er hinzu.
    – Ja, ja, Herr Kapitän, schrie der Brigadier Pistache zustimmend, Feuer an die Bäume… brennen werden sie wie Streichhölzchen!«
    Sofort wurde Feuer angeschlagen und ein Haufe abgefallner Zweige am Fuße der Bäume aufgeschichtet. Bald züngelten die Flammen hinauf, erreichten die oberen Äste und verbreiteten einen blendenden Schein in der vorher finstern Umgebung des Eilands.
    »Wenn sie nun unser Freudenfeuer nicht sehen, rief Pistache, dann sind an Bord jenes Schiffes alle mit Blindheit geschlagen!«
    Der helle Brand der Baumgruppe hielt jedoch nicht länger als eine Stunde an. Das dürre Holz wurde bald verzehrt, und als die letzten Flammen erloschen, wußte man noch nicht, ob sich das Schiff dem Tell genähert hätte, denn es hatte das Signal von der Insel mit keinem Kanonenschuß beantwortet.
    Rings um das Eiland herrschte wieder tiefe Finsternis. Die Nacht verstrich, doch kein Pfeifen von Dampf, kein gurgelndes Geräusch von einer Schraube oder einem Schaufelrade schlug den Flüchtlingen ans Ohr.
    »Es ist da… ist da!« rief Pistache beim ersten Morgengrauen, und Coupe-à-Coeur bellte dazu

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