Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
Ich Mich und mache es mit Mir, wie man's mit jedem andern Eigentum macht, – Ich genieße Mich nach meinem Wohlgefallen. Ich bange nicht mehr um's Leben, sondern »vertue« es.
Von jetzt an lautet die Frage, nicht wie man das Leben erwerben, sondern wie man's vertun, genießen könne, oder nicht wie man das wahre Ich in sich herzustellen, sondern wie man sich aufzulösen, sich auszuleben habe.
Was wäre das Ideal wohl anders, als das gesuchte, stets ferne Ich? Sich sucht man, folglich hat man sich noch nicht, man trachtet nach dem, was man sein soll , folglich ist man's nicht. Man lebt in Sehnsucht und hat Jahrtausende in ihr, hat in Hoffnung gelebt. Ganz anders lebt es sich im – Genuß !
Trifft dies etwa nur die sogenannten Frommen? Nein, es trifft Alle, die der scheidenden Geschichtsperiode angehören, selbst ihre Lebemänner. Auch ihnen folgte auf die Werkeltage ein Sonntag und auf das Welttreiben der Traum von einer besseren Welt, von einem allgemeinen Menschenglück, kurz ein Ideal. Aber namentlich die Philosophen werden den Frommen gegenübergestellt. Nun, haben die an etwas anderes gedacht, als an das Ideal, auf etwas anderes gesonnen, als auf das absolute Ich? Sehnsucht und Hoffnung überall, und nichts als diese. Nennt es meinetwegen Romantik.
Soll der Lebensgenuß über die Lebenssehnsucht oder Lebenshoffnung triumphieren, so muß er sie in ihrer doppelten Bedeutung, die Schiller im »Ideal und das Leben« vorführt, bezwingen, die geistliche und weltliche Armut ekrasieren, das Ideal vertilgen und – die Not ums tägliche Brot. Wer sein Leben aufwenden muß, um das Leben zu fristen, der kann es nicht genießen, und wer sein Leben erst sucht, der hat es nicht und kann es ebensowenig genießen: beide sind arm, »selig aber sind die Armen.«
Die da hungern nach dem wahren Leben, haben keine Macht über ihr gegenwärtiges, sondern müssen es zu dem Zwecke verwenden, jenes wahre Leben damit zu gewinnen, und müssen es ganz diesem Trachten und dieser Aufgabe opfern. Wenn an jenen Religiösen, die auf ein jenseitiges Leben hoffen und das diesseitige bloß für eine Vorbereitung zu demselben ansehen, die Dienstbarkeit ihres irdischen Daseins, das sie lediglich in den Dienst des gehofften himmlischen geben, ziemlich scharf einleuchtet, so würde man doch weit fehlgreifen, wollte man die Aufgeklärtesten und Erleuchtetsten für minder aufopfernd halten. Läßt doch im »wahren Leben« eine viel umfassendere Bedeutung sich finden, als das »himmlische« auszudrücken vermag. Ist etwa, um sogleich den liberalen Begriff desselben vorzuführen, das »menschliche« und »wahrhaft menschliche« nicht das wahre Leben? Und führt etwa Jeder schon von Haus aus dies wahrhaft menschliche Leben, oder muß er mit saurer Mühe sich erst dazu erheben? Hat er es schon als sein gegenwärtiges, oder muß er's als sein zukünftiges Leben erringen, das ihm erst dann zu Teil wird, wenn er »von keinem Egoismus mehr befleckt ist«? Das Leben ist bei dieser Ansicht nur dazu da, um Leben zu gewinnen, und man lebt nur, um das Wesen des Menschen in sich lebendig zu machen, man lebt um dieses Wesens willen. Man hat sein Leben nur, um sich mittelst desselben das »wahre«, von allem Egoismus gereinigte Leben zu verschaffen. Daher fürchtet man sich, von seinem Leben einen beliebigen Gebrauch zu machen: es soll nur zum »rechten Gebrauche« dienen.
Kurz man hat einen Lebensberuf , eine Lebensaufgabe, hat durch sein Leben Etwas zu verwirklichen und herzustellen, ein Etwas, für welches unser Leben nur Mittel und Werkzeug ist, ein Etwas, das mehr wert ist, als dieses Leben, ein Etwas, dem man das Leben schuldig ist. Man hat einen Gott, der ein lebendiges Opfer verlangt. Nur die Roheit des Menschenopfers hat sich mit der Zeit verloren; das Menschenopfer selbst ist unverkürzt geblieben, und stündlich fallen Verbrecher der Gerechtigkeit zum Opfer, und Wir »armen Sünder« schlachten Uns selbst zum Opfer für »das menschliche Wesen«, die »Idee der Menschheit«, die »Menschlichkeit« und wie die Götzen oder Götter sonst noch heißen.
Weil Wir aber unser Leben jenem Etwas schulden, darum haben Wir – dies das Nächste – kein Recht es uns zu nehmen.
Die konservative Tendenz des Christentums erlaubt nicht anders an den Tod zu denken, als mit der Absicht, ihm reinen Stachel zu nehmen und – hübsch fortzuleben und sich zu erhalten. Alles läßt der Christ geschehen und über sich ergehen, wenn er – der Erzjude – sich nur in den
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