Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Stirner
Vom Netzwerk:
göttlichen Wortes ab, sondern richten sich nach dem Menschen: nicht »göttlich«, sondern »menschlich« wollen sie sein und leben.
    Der Mensch ist des Liberalen höchstes Wesen, der Mensch seines Lebens Richter , die Menschlichkeit sein Leitfaden oder Katechismus. Gott ist Geist, aber der Mensch ist der »vollkommenste Geist«, das endliche Resultat der langen Geistesjagd oder der »Forschung in den Tiefen der Gottheit«, d. h. in den Tiefen des Geistes.
    Jeder deiner Züge soll menschlich sein; Du selbst sollst es vom Wirbel bis zur Zehe, im Innern wie im Äußern sein: denn die Menschlichkeit ist dein Beruf .
    Beruf – Bestimmung – Aufgabe! –
    Was Einer werden kann, das wird er auch. Ein geborener Dichter mag wohl durch die Ungunst der Umstände gehindert werden, auf der Höhe der Zeit zu stehen und nach den dazu unerläßlichen großen Studien ausgebildete Kunstwerke zu schaffen; aber dichten wird er, er sei Ackerknecht oder so glücklich, am Weimarschen Hofe zu leben. Ein geborener Musiker wird Musik treiben, gleichviel ob auf allen Instrumenten oder nur auf einem Haferrohr. Ein geborener philosophischer Kopf kann sich als Universitätsphilosoph oder als Dorfphilosoph bewähren. Endlich ein geborener Dummerjan, der, was sich sehr wohl damit verträgt, zugleich ein Pfiffikus sein kann, wird, wie wahrscheinlich Jeder, der Schulen besucht hat, an manchen Beispielen von Mitschülern sich zu vergegenwärtigen imstande ist, immer ein vernagelter Kopf bleiben, er möge nun zu einem Bürochef einexerziert und dressiert worden sein, oder demselben Chef als Stiefelputzer dienen. Ja die geborenen beschränkten Köpfe bilden unstreitig die zahlreichste Menschenklasse. Warum sollten auch in der Menschengattung nicht dieselben Unterschiede hervortreten, welche in jeder Tiergattung unverkennbar sind? Überall finden sich Begabtere und minder Begabte.
    So blödsinnig sind indes nur Wenige, daß man ihnen nicht Ideen beibringen könnte. Daher hält man gewöhnlich alle Menschen für fähig, Religion zu haben. In einem gewissen Grade sind sie auch zu andern Ideen noch abzurichten, z. B. zu einem musikalischen Verständnis, selbst etwas Philosophie usw. Hier knüpft denn das Pfaffentum der Religion, der Sittlichkeit, der Bildung, der Wissenschaft usw. an, und die Kommunisten z. B. wollen durch ihre »Volksschule« Allen alles zugänglich machen. Eine gewöhnliche Behauptung wird gehört, daß diese »große Masse« ohne Religion nicht auskommen könne; die Kommunisten erweitern sie zu dem Satze, daß nicht nur die »große Masse«, sondern schlechthin Alle zu Allem berufen seien.
    Nicht genug, daß man die große Masse zur Religion abgerichtet hat, nun soll sie gar mit »allem Menschlichen« sich noch befassen müssen. Die Dressur wird immer allgemeiner und umfassender.
    Ihr armen Wesen, die Ihr so glücklich leben könntet, wenn Ihr nach eurem Sinne Sprünge machen dürftet, Ihr sollt nach der Pfeife der Schulmeister und Bärenführer tanzen, um Kunststücke zu machen, zu denen Ihr selbst Euch nimmermehr gebrauchen würdet. Und Ihr schlagt nicht endlich einmal dagegen aus, daß man Euch immer anders nimmt, als Ihr Euch geben wollt. Nein, Ihr sprecht Euch die vorgesprochene Frage mechanisch selber vor: »Wozu bin Ich berufen? Was soll Ich?« So braucht Ihr nur zu fragen, um Euch sagen und befehlen zu lassen, was Ihr sollt, euren Beruf Euch vorzeichnen zu lassen, oder auch es Euch selbst nach der Vorschrift des Geistes zu befehlen und aufzuerlegen. Da heißt es denn in Bezug auf den Willen: Ich will, was Ich soll .
    Ein Mensch ist zu nichts »berufen« und hat keine »Aufgabe«, keine »Bestimmung«, so wenig als eine Pflanze oder ein Tier einen »Beruf« hat. Die Blume folgt nicht dem Berufe, sich zu vollenden, aber sie wendet alle ihre Kräfte auf, die Welt, so gut sie kann, zu genießen und zu verzehren, d. h. sie saugt so viel Säfte der Erde, so viel Luft des Äthers, so viel Licht der Sonne ein, als sie bekommen und beherbergen kann. Der Vogel lebt keinem Berufe nach, aber er gebraucht seine Kräfte so viel es geht: er hascht Käfer und singt nach Herzenslust. Der Blume und des Vogels Kräfte sind aber im Vergleich zu denen eines Menschen gering, und viel gewaltiger wird ein Mensch, der seine Kräfte anwendet, in die Welt eingreifen als Blume und Tier. Einen Beruf hat er nicht, aber er hat Kräfte, die sich äußern, wo sie sind, weil ihr Sein ja einzig in ihrer Äußerung besteht und so wenig untätig verharren

Weitere Kostenlose Bücher