Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
imponiert nun nichts mehr: die Welt ist in Verruf erklärt, denn Wir sind über ihr, sind Geist .
Jetzt erst sehen Wir, daß Wir die Welt bisher gar nicht mit Geist angeschaut haben, sondern nur angestiert.
An Naturgewalten üben Wir Unsere ersten Kräfte. Eltern imponieren Uns als Naturgewalt; später heißt es: Vater und Mutter sei zu verlassen, alle Naturgewalt für gesprengt zu erachten. Sie sind überwunden. Für den Vernünftigen, d. h. »Geistigen Menschen«, gibt es keine Familie als Naturgewalt: es zeigt sich eine Absagung von Eltern, Geschwistern usw. Werden diese als geistige , vernünftige Gewalten »wiedergeboren«, so sind sie durchaus nicht mehr das, was sie vorher waren.
Und nicht bloß die Eltern, sondern die Menschen überhaupt werden von dem jungen Menschen besiegt: sie sind ihm kein Hindernis, und werden nicht berücksichtigt: denn, heißt es nun: Man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen.
Alles » Irdische « weicht unter diesem hohen Standpunkte in verächtliche Ferne zurück: denn der Standpunkt ist der – himmlische .
Die Haltung hat sich nun durchaus umgekehrt, der Jüngling nimmt ein geistiges Verhalten an, während der Knabe, der sich noch nicht als Geist fühlte, in einem geistlosen Lernen aufwuchs. Jener sucht nicht der Dinge habhaft zu werden, z. B. nicht die Geschichts data in seinen Kopf zu bringen, sondern der Gedanken , die in den Dingen verborgen liegen, also z. B. des Geistes der Geschichte; der Knabe hingegen versteht wohl Zusammenhänge , aber nicht Ideen, den Geist; daher reiht er Lernbares an Lernbares, ohne apriorisch und theoretisch zu verfahren, d. h. ohne nach Ideen zu suchen.
Hatte man in der Kindheit den Widerstand der Weltgesetze zu bewältigen, so stößt man nun bei Allem, was man vorhat, auf eine Einrede des Geistes, der Vernunft, des eigenen Gewissens . »Das ist unvernünftig, unchristlich, unpatriotisch« u. dergl., ruft Uns das Gewissen zu, und – schreckt Uns davon ab. – Nicht die Macht der rächenden Eumeniden, nicht den Zorn des Poseidon, nicht den Gott, so fern er auch das Verborgene sieht, nicht die Strafrute des Vaters fürchten Wir, sondern das – Gewissen .
Wir »hängen nun Unsern Gedanken nach« und folgen ebenso ihren Geboten, wie Wir vorher den elterlichen, menschlichen folgten. Unsere Taten richten sich nach Unseren Gedanken (Ideen, Vorstellungen, Glauben ), wie in der Kindheit nach den Befehlen der Eltern.
Indes gedacht haben Wir auch schon als Kinder, und waren unsere Gedanken keine fleischlosen abstrakten, absoluten , d. h. nichts als Gedanken , ein Himmel für sich, eine reine Gedankenwelt, logische Gedanken.
Im Gegenteil waren es nur Gedanken gewesen, die Wir Uns über eine Sache machten: Wir dachten Uns das Ding so oder so. Wir dachten also wohl: die Welt, die Wir da sehen, hat Gott gemacht; aber Wir dachten (»erforschten«) nicht die »Tiefen der Gottheit selber«; Wir dachten wohl: »das ist das Wahre an der Sache«, aber Wir dachten nicht das Wahre oder die Wahrheit selbst, und verbanden nicht zu Einem Satze »Gott ist die Wahrheit«. Die »Tiefen der Gottheit, welche die Wahrheit ist«, berührten Wir nicht. Bei solchen rein logischen, d. h. theologischen Fragen: »Was ist Wahrheit« hält sich Pilatus nicht auf, wenngleich er im einzelnen Falle darum nicht zweifelt, zu ermitteln, »was Wahres an der Sache ist«, d. h. ob die Sache wahr ist.
Jeder an eine Sache gebundene Gedanke ist noch nicht nichts als Gedanke , absoluter Gedanke.
Den reinen Gedanken zu Tage zu fördern, oder ihm anzuhängen, das ist Jugendlust, und alle Lichtgestalten der Gedankenwelt, wie Wahrheit, Freiheit, Menschentum, der Mensch usw. erleuchten und begeistern die jugendliche Seele.
Ist aber der Geist als das Wesentliche erkannt, so macht es doch einen Unterschied, ob der Geist arm oder reich ist, und man sucht deshalb reich an Geist zu werden: es will der Geist sich ausbreiten, sein Reich zu gründen, ein Reich, das nicht von dieser Welt ist, der eben überwundenen. So sehnt er sich denn alles in allem zu werden, d. h. obgleich Ich Geist bin, bin Ich doch nicht vollendeter Geist, und muß den vollkommenen Geist erst suchen.
Damit verliere Ich aber, der Ich Mich soeben als Geist gefunden hatte, sogleich Mich wieder, indem Ich vor dem vollkommenen Geiste, als einem Mir nicht eigenen, sondern jenseitigen Mich beuge und meine Leerheit fühle.
Auf Geist kommt zwar alles an, aber ist auch jeder Geist der »rechte« Geist? Der rechte und wahre Geist
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