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Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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»Mit bösem Vorbedacht«
    »O! Wer bat die Tat vollbracht?«
Othello
    Lord Peter Wimsey rekelte sich wohlig zwischen den Laken des Hôtel Meurice. Nach den Anstrengungen bei der Lösung des Rätsels vom Battersea Park war er Sir Julian Frekes Rat gefolgt und in Urlaub gefahren. Auf einmal war er es leid gewesen, allmorgendlich mit Blick auf den Green Park zu frühstücken; er hatte eingesehen, daß die Ersteigerung von Erstausgaben eine unzureichende Betätigung für einen Mann von dreiunddreißig Jahren war; und in London war alles überzüchtet, sogar die Verbrechen. Also hatte er Wohnung und Freunde verlassen und war in die Wildnis Korsikas geflüchtet. Drei Monate lang hatte er Briefen, Zeitungen und Telegrammen entsagt. Er war durch die Berge gewandert, hatte aus vorsichtiger Entfernung die wilde Schönheit der korsischen Bäuerinnen bewundert und die Vendetta in ihrer angestammten Heimat studiert. Unter solchen Umständen erschien Mord nicht nur vernünftig, sondern geradezu liebenswert. Bunter, sein ergebener Diener und Hilfsspürhund, hatte selbstlos seine kultivierten Gepflogenheiten geopfert und es zugelassen, daß sein Herr schmutzig und sogar unrasiert herumlief; seine getreue Kamera hatte zur Abwechslung statt Fingerabdrücken nur rauhe Landschaft ablichten dürfen. Es war sehr erholsam gewesen.
    Nun aber hatte der Ruf des Blutes Lord Peter eingeholt. Sie waren gestern abend spät mit einem miserablen Zug nach Paris zurückgekehrt und hatten ihr Gepäck abgeholt. Das Herbstlicht, das jetzt gedämpft durch die Vorhänge hereindrang, strich liebkosend über die Fläschchen mit den silbernen Verschlüssen auf dem Toilettentisch und umfloß die Umrisse einer elektrischen Lampe und des Telefons. Aus der Nähe verkündete das Rauschen fließenden Wassers (w & k), daß Bunter das Bad einlaufen ließ und die duftende Seife, das Badesalz, den großen Badeschwamm, für den es auf Korsika keine Verwendung gegeben hatte, und die prächtige Bürste mit dem langen Stiel zurechtlegte, die einem so schön das Rückgrat massierte. »Gegensätze«, philosophierte Lord Peter schlaftrunken, »sind das Leben. Korsika – Paris – dann London ... Guten Morgen, Bunter.«
    »Guten Morgen, Mylord. Ein schöner Morgen, Mylord. Das Bad ist bereitet.«
    »Danke«, sagte Lord Peter. Er blinzelte ins Sonnenlicht.
    Es war ein herrliches Bad. Während er hineinsank, verstand er plötzlich nicht mehr, wie er auf Korsika hatte existieren können. Selig planschte er im Wasser und sang ein paar Takte dazu. In einer schläfrigen Pause hörte er den Zimmerkellner Kaffee und Hörnchen bringen. Kaffee und Hörnchen! Er erhob sich triefend aus der Wanne, rubbelte sich genüßlich ab, hüllte seinen so lange kasteiten Körper in einen seidenen Morgenrock und ging ins Zimmer zurück.
    Zu seinem maßlosen Erstaunen sah er, wie Mr. Bunter seelenruhig das Toilettenköfferchen wieder packte. Ein zweiter erstaunter Blick fiel auf die übrigen Koffer, die – gestern abend kaum geöffnet – bereits wieder gepackt und mit Anhängern versehen reisefertig dastanden.
    »Nanu, Bunter, was soll das?« fragte Seine Lordschaft. »Wir bleiben doch vierzehn Tage hier.«
    »Verzeihung, Mylord«, entgegnete Mr. Bunter untertänig, »aber nachdem ich die Times gesehen hatte (die jeden Morgen per Flugzeug hierher expediert wird, Mylord, und das alles in allem sehr zügig), zweifelte ich nicht daran, daß Eure Lordschaft den Wunsch haben würde, sich sofort nach Riddlesdale zu begeben.«
    »Riddlesdale!« rief Peter. »Was gibt's denn da? Ist etwas mit meinem Bruder?«
    Statt einer Antwort reichte Mr. Bunter ihm die Zeitung, aufgeschlagen bei der Überschrift:
    GERICHTLICHE VORUNTERSUCHUNG IM FALL RIDDLESDALE
HERZOG VON DENVER UNTER MORDVERDACHT VERHAFTET
    Lord Peter starrte wie hypnotisiert.
    »Ich dachte, Eure Lordschaft würde sich nichts entgehen lassen wollen«, sagte Mr. Bunter, »darum habe ich mir die Freiheit genommen –«
    Lord Peter gab sich einen Ruck.
    »Wann fährt der nächste Zug?« fragte er.
    »Ich bitte Mylord um Verzeihung – ich dachte, Mylord würde den schnellsten Weg wählen wollen. Darum habe ich mir erlaubt, zwei Plätze in der Victoria zu buchen. Das Flugzeug startet um halb zwölf.«
    Lord Peter sah auf die Uhr.
    »Zehn«, sagte er. »Sehr gut. Sie haben recht getan. Du meine Güte! Der gute Gerald wegen Mordes verhaftet. Muß ihm ungemein peinlich sein, dem Ärmsten. War immer so dagegen, daß ich dauernd mit der Polizei zu tun

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