Der erste Weltkrieg
Machtgewicht so zu Ungunsten der radikalen Linken verschoben, dass diese nur noch zu einem verzweifelten Aufruf zum bewaffneten Aufstand Zuflucht nehmen konnten. Mochten einige von ihnen auch hoffen, mit der Eroberung Berlins doch noch eine leninsche Lösung erzwingen zu können, war anderen – voran Rosa Luxemburg – die Vergeblichkeit des Aufstandes von vornherein klar. Tatsächlich wurde der Spartakus-Aufstand im Januar 1919 schnell von den Groenerschen Freiwilligeneinheiten, den Freikorps, niedergeschlagen. Danach zogen die Freikorps durch die Industriestädte an der Ruhr und in Mitteldeutschland, um die dortigen Aufstände brutal zu ersticken. Ihre letzten Erfolge errangen sie in den ersten Maitagen in München, wo sie eine Ende April von Eugen Leviné ausgerufene Sowjetrepublik auslöschten. Einen ähnlichen Verlauf nahm der Bürgerkrieg in Ungarn. In Budapest fand die von Béla Kun errichtete Sowjetrepublik nach mehreren Wochen im Juli 1919 ein blutiges Ende.
Derweil war als weiteres Zeichen einer langsamen Stabilisierung in Weimar ein Verfassungsdokument entworfen worden, mit dessen Vorlage Ebert im November 1918 den Staatsrechtler Hugo Preuss beauftragt hatte und das nach allgemeinen Wahlen, an denen zum ersten Mal auch Frauen gleichberechtigt teilnahmen,verabschiedet wurde. Es trat im August 1919 schließlich in Kraft. Ebert gab die Regierungsgewalt, die der Rat der Volksbeauftragten seit November innehatte, an die Nationalversammlung ab, die ihn wiederum mit einer überwältigenden Mehrheit zum vorläufigen Reichspräsidenten wählte. Er ernannte dann Mitte Februar 1919 eine von Philipp Scheidemann geführte Reichsregierung, die nun die schwere Aufgabe hatte, den von den Alliierten aufgesetzten Friedensvertrag zu unterzeichnen.
Auf dem Papier sahen die Verträge, die die Verlierer nach und nach in den Vororten von Paris unterzeichneten, wie ein Siegfrieden für die Alliierten aus. Ihnen war gemeinsam, dass sie territoriale Verluste für die Verlierer sowie eine Reduzierung ihrer Streitkräfte und Reparationszahlungen brachten. Die z.T. radikale Verschiebung alter Grenzen hatte freilich nicht so sehr die im Weltkrieg von Wilson verkündete Selbstbestimmung der Völker im Auge als die Herstellung relativ großer Territorialstaaten in Ostmitteleuropa und auf dem Balkan. Dies erklärt die Schaffung eines größeren Polens, der tschechoslowakischen Republik und Jugoslawiens. Strategischer Zweck dieser neuen Länder war es einmal, einen
cordon sanitaire
gegen das bolschewistische Russland zu bilden. Westeuropa sollte gegen ein erneutes Vordringen des leninschen Revolutionsgedankens abgeschirmt werden.
Zugleich sollten die neuen Staaten ein östliches Gegengewicht gegen eine künftige «deutsche Gefahr» bieten. Gerade den durch die deutsche Invasion traumatisierten Franzosen war an einer solchen Neuordnung der Landkarte gelegen, weil sie über Bündnisse mit den slawischen Neugründungen eine Wiedererrichtung der deutschen Machtposition im Herzen Europas einzudämmen hofften. Diesem Ziel diente auch die dekretierte Reduzierung der Streitkräfte von Österreich, Ungarn und Deutschland.
Der Nachteil einer solchen territorialen Lösung war, dass sie Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien deutsche und ungarische Bevölkerungsgruppen zuschlug, die als Minderheiten diskriminiert und schnell zu einer die innere Stabilität belastendenIrredenta wurden. Auch die Festsetzung der Reparationszahlungen führte zu schweren Spannungen vor allem mit Deutschland, die die Belgier und Franzosen im Januar 1923 schließlich mit der Besetzung des Ruhrgebiets auszuräumen hofften. Das Gegenteil geschah. Die Aktion löste eine erneute wirtschaftliche Katastrophe aus, die auch nach Frankreich hineinschwappte und eine Abwertung des Franc erzwang. Politisch sah sich die Weimarer Republik wie schon 1920 zu Zeiten des so genannten Kapp-Putsches von rechtsradikalen Kräften herausgefordert, die sie von Bayern aus umzustürzen versuchten.
Auch wenn Hitler und Ludendorff damals mit ihrem «Marsch auf Berlin» scheiterten, die Krise gab den radikalen Revisionisten Auftrieb, die die Pariser Friedensordnung mit Gewalt zerstören wollten. Hitler knüpfte dabei an die Kritik der erfolglosen wilhelminischen Weltpolitik an, die Tirpitz zufolge schon 1915 in konservativen Kreisen zu hören gewesen war. Das nächste Mal, so schrieb der «Führer» der Nazis bald darauf in
Mein Kampf,
würde die deutsche Außenpolitik nicht den Fehler des
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