Der Ewige Widersacher
dieser Zeit fleischgewordene Böse, hatte Lilith alles Wissen, jede Erinnerung und vor allem ihr ureigenes Ich zurückge-geben. An den Pforten zur Hölle hatte sie es vor Monaten verloren*, und der satanische Knabe hatte es gleichsam als Trumpf behalten, um es im rechten Moment auszuspielen. Und eben jener Moment schien gekommen, als Lilith sich gegen Gabriel gewandt hatte, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen für den Tod Anums, den sie abgöttisch zu lieben glaubte ...
... bis er ihr die Augen geöffnet und sie sehend gemacht hatte für die echte und einzige Wahrheit: Sie war die erklärte Feindin aller Vampire, und ihr Lebenszweck bestand darin, die Alte Rasse gänzlich vom Antlitz dieser Welt zu tilgen!
Gott selbst hatte ihr dieses Los auferlegt, am Anfang der Zeit, im wahren Garten Eden, wo Lilith damals ihrer ursprünglichen Bestimmung nachgekommen war: die Ur-Lilith, Mutter der ersten Vampire und Adams erstes Weib vor Eva, mit dem Schöpfer zu versöhnen. Erst wenn Lilith Eden diesen göttlichen Auftrag einst erfüllt hätte, würde sie frei sein von aller Sünde, die sie durch Leid und Tod auf sich geladen hatte - und erlöst von ihrem unseligen Dasein als Kind zweier Welten: weder ganz Mensch, noch ganz Vampirin, und mithin verachtet von beiden Rassen.
Darüber nachzudenken, wie erstrebenswert eine solche Befreiung tatsächlich sein mochte, war Lilith nicht wirklich möglich.
Anderes beherrschte ihr Denken, Wichtigeres - nun wieder elementar Gewordenes: Tod allen Vampiren! hieß Lilith Edens Streben von neuem.
Und Landru zu töten würde der bestmögliche Neuanfang ihres wahren Lebens sein!
Lilith kannte die menschliche Redensart, der zufolge es einem in den Fingern juckte, etwas zu tun. Für sie selbst erfüllten sich diese Worte just in diesem Augenblick auf fast schon schmerzhafte Weise: Ihre Finger schwollen spürbar an, Sehnen und Muskeln spannten und verhärteten sich unter der dünnen Haut, Nägel sprossen zu Krallen. Ihre Hände wurden zu mörderischen Waffen, die stumm forderten, endlich zu handeln .
Lilith brannte darauf, sich auf Landru zu stürzen, um ihm den Garaus zu machen. Wäre da nicht ein Hindernis gewesen, das ihr noch im Wege stand und das es zuvor zu nehmen galt .
»Wage es nicht!«
Nonas Worte klirrten wie Stahl, und ihre Augen brannten im Feuer kalter Wut. Die Wölfin, noch in menschlicher Gestalt, stellte sich gleich einer Löwenmutter, die ihren Wurf verteidigt, zwischen Lilith und Landru, der sich in purer Agonie wand. Die Schwere seiner Verletzung schien seine Selbstheilungskraft zu überfordern.
»Der Tod wäre eine Erlösung für ihn«, meinte Lilith ohne den geringsten Funken wahren Mitleids. Ihre Stimme troff nur vor Zynismus. »Und außerdem ist es beschlossene Sache!«
»Nur über meine Leiche!« erklärte Nona.
»Soll mir recht sein .« Lilith verzog die Lippen zu einem Lächeln, das einen Bluthund hätte ängstlich zurückweichen lassen.
*
Nona.
Auch über sie wußte Lilith wieder Bescheid, kannte die Wahrheit über ihr Verhältnis zueinander. Feindinnen waren sie, naturgemäß, denn schließlich war Nona seit Jahrhunderten Landrus Geliebte.
Somit stand Lilith nun ihren beiden ärgsten Gegnern gegenüber, einer schon fast zu Tode verwundet. Eine bessere Gelegenheit, sich beider sozusagen auf einen Streich zu entledigen, würde sich Lilith nie mehr bieten.
Dennoch zählten Sekunden. Jetzt schon, zu Beginn des unausweichlichen Kampfes mit Nona, waren sie entscheidend.
Lilith verlor nicht eine einzige.
Sie duckte sich, sprang vor, und noch in der Bewegung floß vam-pirische Kraft in ihre Glieder, kalt wie flüssiges Eis, und schien ihre Muskulatur schier bersten zu lassen. Ihr Gesicht gerann zur monströsen Fratze, deren aufklaffendes Maul den Blick auf nadelspitze Eckzähne freigab. Liliths Körper mutierte zu etwas Bestienhaftem, dessen bloßer Anblick Menschen schreiend in die Flucht getrieben hätte.
Nona indes vermochte er nicht zu schrecken.
Überrascht wurde sie nur von der Plötzlichkeit des Angriffs!
Die Verwandlung in ihre wölfische Gestalt war noch nicht abgeschlossen, als sie unter Liliths Ansturm zu Boden ging. Klauen drangen durch ihre Haut, wo sie noch nicht vom Fell des Wolfes bedeckt war, und gruben sich tief ins Fleisch darunter.
Ein Schrei brach über Nonas Lippen. Und dieser Schrei zeigte an, daß ihre Verwandlung weiterging - nach zwei, drei Sekunden wohnte ihm nichts Menschliches mehr inne, war er zu einem animalischen Heulen
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