Der Fluch der Druidin
ihrer Hand eine andere Sprache, zeugten von einem anderen Entsetzen, das in dem Aufschrei gelegen hatte. Talia musste fest zugreifen, um zu verhindern, dass ihre wankende Tochter vom Pferd fiel.
»Wo kam das her?«, rief Talia, während sie grob an Sumelis’ Arm riss. »Sumelis!«
Plötzlich, wie ein Fenster, das sich kurz öffnete und den Blick in die Ferne freigab, war sich Sumelis der richtigen Antwort sicher. »Von dort!«, wisperte sie und zeigte auf die andere Seite des Wäldchens. Gleichzeitig riss sie sich von ihrer Mutter los. Sie beugte sich tief über den Hals ihres Pferds und zwang das ermattete Tier aus dem Stand heraus in Galopp. Talia folgte ihr dichtauf.
Selbst damals, als Talia aus den Toren von Alte-Stadt getreten war, um sich Dago entgegenzustellen, hatte sie nicht diese ohnmächtige Angst empfunden wie jetzt vor dem, was sie auf der anderen Seite des Wäldchens erwartete. Ihr Pferd rannte, ohne angetrieben werden zu müssen, hinter Sumelis’ Tier her, als ob es nicht allein bleiben wollte an diesen Ort, der nach Sterben roch. Bäume flogen an Talia vorbei, danach öffnete sich ein freier Raum, an dessen anderem Ende die Schlacht tobte. Dazwischen ein Mann, in eine helle Tunika gekleidet, der sich über einen anderen beugte. Es dauerte einen Moment, bis Talia Atharic erkannte. Ein dritter stand einige Schritte abseits, ein Riese, den Talia, obwohl sie ihn nur wenige Male in ihrem Leben gesehen hatte, sofort an seinem Wolfsschädelschmuck wiedererkannte. In diesem Augenblick hob Boiorix sein Schwert und stürzte sich auf Atharic. Dieser fuhr in die Höhe, unterlief den Schlag und tat dann mehrere Schritte zur Seite, um den Kimbernkönig von Nandos reglosem Körper fortzulocken. Als er Talia und Sumelis gewahr wurde, stockte Atharic flüchtig, bevor er sich abermals rückwärtsbewegte, sich weiter von Nando entfernte. Boiorix, der gegenüber allem um sich herum blind zu sein schien, brüllte ihn an, er sei derselbe Feigling wie früher, und setzte ihm nach.
Sumelis stieß bei Nandos Anblick einen dumpfen Klagelaut aus. Sie hatte keinen Blick für die Schlacht, die um sie herum tobte: Boiorix’ Gefolgsleute waren damit beschäftigt, dem Ansturm der Römer Widerstand zu leisten, dazu kam der Hagel an feindlichen Speeren, dem Hunderte nordische Krieger zum Opfer fielen. Weiter im Nordwesten warfen sich die ersten Kimbern den heranrückenden Legionen des Gaius Marius entgegen. All das nahm Sumelis nicht wahr. Sie sprang vom Pferd, noch bevor dieses völlig stand, fiel zu Boden, rappelte sich auf und rannte auf Nando zu. Auf halbem Weg stellte sich ihr eine Gestalt in einem weißen Kleid, das der Staub langsam beige färbte, in den Weg. In den Händen hielt sie einen Opferdolch. Sumelis schlug einen Haken, tauchte unter Rascils zupackenden Händen hinweg, stürzte weiter und fiel endlich neben Nando auf die Knie.
Talia war nur wenige Pferdelängen hinter Sumelis, als die grauhaarige nordische Priesterin versuchte, Sumelis aufzuhalten, sie jedoch nicht zu fassen bekam und prompt die Verfolgung aufnahm. Talia stieß ihrem Pferd ein letztes Mal die Fersen in die Flanken, raste an Atharic und Boiorix vorbei und auf Rascils Rücken zu. Die Priesterin hörte die herbeidonnernde Gefahr und fuhr herum. Sie warf die Arme in die Höhe. Ihr Wutschrei zerriss die Luft. Talias Pferd schwenkte ab, um der kreischenden Gestalt auszuweichen, und schleuderte seine Reiterin dabei beinahe zu Boden. Schlitternd kam es zum Stehen. Talia sprang ab. Scharfer Schmerz schoss durch ihren Knöchel, aber sie knickte nicht um. Sie wollte an Sumelis’ Seite eilen, da versperrte ihr die Priesterin den Weg.
»Ich weiß, wer du bist!«, rief Rascil laut und mit einem gellenden Triumph, den Talia nicht verstand. »Keltische Hexe!«
»Lass mich durch!«, fauchte Talia und versuchte, an der Frau vorbeizukommen. Die Priesterin stieß mit dem Dolch nach ihr. Talia stolperte zurück. Sie riss ihr eigenes Messer aus dem Gürtel, ein kleines Haushaltsmesser mit einer während der Reise abgestumpften Klinge und das einzige, was sie bei ihrem überstürzten Aufbruch an sich gehabt hatte.
Rascil lachte wie im Wahn. »Zauberin, ha! Endlich wird es sich zeigen! Ihr Kelten glaubt, eure Götter wären groß, genauso eure lächerlichen Druiden! Aber sie sind nichts im Vergleich zu Wodan und Donar! Nichts im Vergleich zu mir! Jetzt werden wir sehen, in wessen Händen die wahre Herrschaft über die Kraft der Götter liegt!«
Talia schrie sie
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