Der Flug der Libelle
seine Orbita l energie an die Außenluft abgab, begannen die Temperaturen zu sinken. Die kritische Phase des Wiedereintritts war schon fast überstanden.
»Schalten Sie jetzt auf aerodynamische Steuerung um! « mahnte Arielle und freute sich zu sehen, daß Karin ihr schon zuvorgekommen war.
Ein lautes Hornsignal ertönte, und das Raumschiff b e gann wieder zu rollen. Das Aufleuchten einer roten Signa l lampe zeigte an, daß das Hauptsystem der Hydraulik versa g te. Karin langte nach dem Schalter, um das Reservesystem einzuscha l ten . Arielle wollte sie gerade warnen, daß sie erst das defekte System stillegen müßte, da erreichte das unter Hochdruck stehende Öl die nicht arbeitenden Steuerorgane und riß sie wild herum. Die Nase kippte ab, und vor dem Fenster begann alles wüst herumzuwirbeln. Die Win d schutzscheibe wurde rot, dann weißglühend und schließlich schwarz …
Seelenruhig ließ Arielle das Dach des Supershuttle-Trainers aufklappen und stand auf. Über den Kopf der zitternden K a rin hinweg blickte sie in ein grinsendes braunes Gesicht, das über den Rand der Simulatorkonsole linste.
»Thomas St. Thomas! « sagte sie ernst. »Sie macht das dritte Mal einen Wiedereintritt und Sie verpassen ihr zwei Pannen. Sie sollten sich schämen! Schauen Sie sie an! «
Karin erholte sich rasch, lächelte den beiden matt zu und schob ihr 190ZentimeterGestell aus dem Copilotensitz.
»Thomas war gar nicht schuld, daß ich Mist gebaut habe. Es war der Simulator. Der ist so realistisch, daß ich das Ganze für echt hielt und in Panik geriet. Wollen wir es noch einmal versuchen? «
Arielle wollte gerade widersprechen, als sich die Tür zum Ausbildungsraum öffnete und der Direktor des Johnso n -Raumfahrtzentrums hereinkam und dahinter ein paar Leute mit Minikameras.
»Macht ihr drei denn niemals eine Pause beim Training? « sagte er. Dann schaute er auf die drei Umschläge, die er in der Hand hielt, und händigte sie den drei Astronauten ei n zeln aus.
»Captain Thomas St. Thomas, Arielle Trudeau, Karin Krupp. «
Thomas machte seinen als erster auf.
»Juhu! « schrie er. »Ich fliege zum Barnard! «
Dann betrachtete er die Gesichter der beiden Frauen, als die ihre Briefe lasen, und schrie noch einmal: »Juhu! Wir fliegen ALLE zum Barnard! «
Er sprang über die Konsole, hob Arielle hoch und wirbe l te sie einmal herum, ehe er sie auf dem Simulator absetzte. Er wollte auch Karin hochheben, aber die blickte ihn aus ihrer luftigen Höhe – immerhin war sie um zwei Zentimeter größer spöttisch an. So ging Thomas an ihr vorbei und schüttelte kräftig die Hand des Direktors, während die Min i kameras alles auf Chips festhielten.
Die Fernsehanstalten in Houston beschlossen ihr Nac h richtenprogramm an diesem Abend mit einer Aufnahme der drei Astronauten: Thomas hatte den Arm um Karins Schu l ter gelegt und redete auf sie ein, während Arielle vor den beiden stand. Sie wirkte irgendwie fehl am Platz. Man hätte sie mit ihrem hübschen Gesicht und den blonden Locken eher für eine Schönheitskönigin gehalten als für das, was sie war – einer der besten Weltraumpiloten der Welt. Wie i m mer mußte Thomas das letzte Wort haben, ehe das Bild au s geblendet wurde.
»Wir fahren zu den STERNEN! «
Washington und Umgebung lagen wieder einmal im Niese l regen . George stand in dem schmalen Säulengang vor dem Hauptquartier und wartete auf die Ankunft der Besa t zung, während Jinjur oben mit dem Personal der Weltraumb e hörde das Konferenzzimmer inspizierte. Als erste kamen C a roline Tanaka, Ingenieur für Faseroptik und Astronom, Carmen Cortez , Ingenieur für Radar und Kommunikation s anl a gen, und John Kennedy, Maschinenbauingenieur und Krankenpfleger, der seinem entfernten Verwandten ve r blüffend ähnlich sah. Sie alle waren am Vortage eingefl o gen und hatten den Morgen im Nationalen Luft und Rau m fahrtm u seum gegenüber verbracht. Während einer kurzen Rege n pause waren sie schnell die kurze Strecke auf der Sechsten Straße herübergelaufen, wo George auf sie wart e te. Er begrüßte sie und schickte sie in das Besprechung s zimmer nach oben.
Fünf Minuten später sah er auf der Rolltreppe der U-Bahn a n d er Maryland-Avenue eine zierliche Gestalt heraufko m men, die schnell durch den Regen auf ihn zulief. Das war Dr. Susan Wong. Sie hatte ihren Doktor in Levibiologie und Organischer Chemie gemacht und besaß einen weiteren Doktorgrad in Weltraummedizin. Sie sollte sich nicht nur um die
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