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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Cornelia. Sie saß im Wagen und winkte. Während er nähertrat, stieg sie aus.
    »Mein armer Fabian«, sagte sie und streichelte seine Hand. »Ich hielt es nicht bis zum Nachmittag aus, und er lieh mir den Wagen. Stör ich dich?« Dann senkte sie die Stimme. »Der Schofför paßt auf.« Lauter sagte sie: »Wo willst du hin?«
    »Zur Universität. Er hat sich umgebracht, weil seine Arbeit abgelehnt worden ist. Ich muß den Geheimrat sprechen.«
    »Ich bringe dich hin. Darf ich?« fragte sie. »Fahren Sie uns bitte zur Universität«, sagte sie zu dem Schofför, sie stiegen in den Wagen und fuhren stadteinwärts.
    »Und wie war es gestern abend bei dir?« fragte Fabian.
    »Sprich nicht davon«, bat sie. »Ich hatte immer das Gefühl, dir drohe ein Unheil. Makart erzählte mir von der Rolle, die ich spielen soll, ich hörte kaum zu, so bedrängte mich meine Vorahnung. Es war wie vor einem Gewitter.«
    »Was für eine Rolle?« Auf Cornelias Vorahnungen ging er nicht ein. Er haßte die Angewohnheit, die Zukunft wie eine Bettdecke zu lüpfen, und noch mehr haßte er den nachträglichen Stolz, schon vorher recht gehabt zu haben. Wie plumpvertraulich war diese Art des Umgangs mit dem Schicksal! Seine Abneigung hatte damit, ob Vorahnungen möglich seien oder nicht, nichts zu tun. Er empfand es als Anmaßung, sich mit dem, was noch verhüllt war, herumzuduzen. So passiv er auch zu sein pflegte: Mit einer Fügung in Unvermeidliches hatte das nichts zu schaffen.
    »Eine sehr merkwürdige Rolle«, sagte sie. »Stell dir vor, daß ich in dem Film die Frau eines Mannes zu sein habe, der, um seiner verschrobenen Phantasie Genüge zu tun, von mir verlangt, daß ich mich unablässig verwandle. Er ist ein pathologischer Mensch und nötigt mich, bald ein unerfahrenes Mädchen und bald eine raffinierte Frau zu spielen, bald ein ordinäres Weib und dann wieder ein hirnloses, elegantes Luxusgeschöpf. Dabei stellt sich, für mich später als für ihn und die Zuschauer, heraus, daß ich ein ganz anderes Wesen bin, als ich selber glaube. Beide, er und ich, werden überrascht sein, denn ich werde mich unaufhaltsam, schließlich gegen seinen Willen, verändern und erst dadurch das geworden sein, was ich schon immer war. Gemein und herrschsüchtig, stellt sich heraus, bin ich im Grunde, und in dem Konflikt, den er durch seine Befehle beschwor, wird er tragisch unterliegen.«
    »Ist der Einfall von Makart? Sieh dich vor, Cornelia, der Mann ist gefährlich. Er wird dich diese Verwandlung zwar spielen lassen, aber insgeheim wird er mit sich selber wetten, ob du in Wirklichkeit so wirst.«
    »Das wäre kein Unglück, Fabian. Solche Männer wollen überfahren werden. Der Film wird ein Privatkursus fürs ganze Leben.«
    Er kramte in den Taschen, fand das Geldbündel, zählte tausend Mark ab und gab sie Cornelia. »Da, Labude hinterließ mir das Geld, nimm die Hälfte. Es beruhigt mich.«
    »Wenn wir vor drei Tagen zweitausend Mark gehabt hätten«, sagte sie.
    Fabian beobachtete den Schofför, der fortwährend in den kleinen konkaven Sucherspiegel blickte und sie darin überwachte. »Deine Gouvernante wird uns noch an einen Baum fahren. Vorn ist die Musik!« schrie er, und der Schofför ließ sie vorübergehend mit dem Blick los.
    »Heute nachmittag komme ich ohne ihn«, sagte sie.
    »Ich weiß nicht, ob ich zu Hause bin«, erwiderte er.
    Sie lehnte sich flüchtig und schüchtern an ihn. »Ich komme auf alle Fälle, vielleicht kannst du mich brauchen.«
    Vor der Universität stieg er aus. Sie fuhr mit ihrem Gefängnisinspektor weiter.
     
    Der Institutsdiener öffnete ihm. Der Geheimrat sei noch nicht da, werde aber jeden Augenblick von der Reise zurückerwartet. Ob der Assistent da sei. Jawohl.
    Im Vorzimmer saßen Justizrat Labude und seine Frau. Sie sah sehr alt aus, weinte, als Fabian sie begrüßte, und sagte: »Wir haben uns nicht um ihn gekümmert.«
    »Es ist sinnlos, sich Vorwürfe zu machen«, entgegnete Fabian.
    »War er nicht alt genug?« fragte der Justizrat. Seine Frau schluchzte laut auf, und er verzog die Stirn. »Ich habe heute nacht Stephans Arbeit gelesen«, erzählte er. »Ich verstehe zwar nichts von eurem Fach, und ich weiß nicht, ob die Grundlagen der Untersuchung stimmen. Aber daß die Folgerungen klug und scharfsinnig sind, steht außer allem Zweifel.«
    »Auch die Grundlagen der Untersuchungen sind in Ordnung«, meinte Fabian. »Die Arbeit ist meisterhaft. Wenn nur der Geheimrat käme!«
    Frau Labude weinte vor sich hin.

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