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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Janine«, sagte ich.
    Es dauerte zwei Sekunden, bis ihr einfiel, mich ihrem Begleiter vorzustellen.
    »Jeff, das ist Matthew. Ein Studienfreund von mir.«
    »Nice to meet you«, sagte Jeff und streckte mir die Hand entgegen. Jeff war ein wenig übergewichtig, hatte schütteres Haar und ein unauffälliges Gesicht. Aber er strahlte eine Mischung aus Zufriedenheit und Autorität aus. War sie mit ihm hier? Ich musste unwillkürlich an die anderen Männer in Janines Leben denken, die ich gekannt hatte, und fand keinerlei Ähnlichkeit oder Entsprechung. Jeff Bedlam, las ich auf dem Namensschild. Northwestern University.
    Als ob es einer besonderen Erklärung bedurft hätte, erklärten wir uns gegenseitig, was wir hier taten. Jeff stand eine Höflichkeitsminute lang schweigend neben uns und ergriff dann die Gelegenheit, sich zu verabschieden.
    »Wie lange bleibst du?«, fragte ich. »Hast du es eilig, oder hast du ein wenig Zeit?«
    »Es gibt gleich noch ein Mittagessen«, antwortete sie. »Und danach muss ich schon nach Brüssel. Ich fliege morgen ziemlich früh weiter und übernachte am Flughafen.«
    »Ich muss heute auch noch nach Brüssel«, sagte ich. »Ich bin mit dem Wagen hier. Wenn du willst, kann ich dich mitnehmen. Das erspart dir eine ziemlich umständliche Anreise. Oder organisiert die Konferenz einen Zubringer?«
    »Nein. Ich wollte ein Taxi nehmen.«
    Ich hätte mir jede Ausrede ausgedacht, um noch ein paar Worte mit ihr wechseln zu können. Aber bisher brauchte ich nicht einmal etwas zu erfinden. Janine schulterte ihre Handtasche, als wollte sie ablehnen, aber dann sagte sie: »Ich wollte nach dem Lunch noch ein wenig durch Antwerpen bummeln«, sagte sie.
    »Warum treffen wir uns dann nicht einfach zum Kaffee? Um vier. Auf dem Marktplatz. Und danach setze ich dich am Hotel am Flughafen ab. Das liegt sowieso auf meinem Weg.«
    »Gut«, sagte sie und lächelte.

Kapitel 67
    Ich wartete schon eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit am Standbild des Silvius Brabo. Worüber sollten wir überhaupt reden? Die wichtigsten Stationen ihres Lebens kannte ich ja. Hatte sie Kinder? Und interessierte mich das wirklich? Natürlich interessierte es mich. Daran hatten auch die siebzehn Jahre nichts geändert, seit wir uns in Venice Beach getrennt hatten.
    Sie erschien pünktlich mit drei Einkaufstüten. Auf einer davon erkannte ich den Namenszug eines bekannten, flämischen Herrendesigners.
    Wir gingen in eins der Cafes direkt am Platz und suchten einen freien Tisch im Schatten. Es war warm. Wir bestellten Eiskaffee.
    »Du siehst fabelhaft aus«, sagte ich. »Wie machst du das? Schwimmst du noch?«
    Sie lächelte.
    »Danke«, sagte sie, ein wenig verlegen. Sie begann, mich über meine Arbeit auszufragen. Ich war ein wenig enttäuscht, als sie das weitverbreitete Klischee bestätigt haben wollte, dass Dolmetscher den Gang der Weltgeschichte manipulieren können, indem sie in Verhandlungen falsch übersetzen.
    »Das sind Legenden«, sagte ich. »Wer so etwas tut, verschwindet wohl eher spurlos aus der Weltgeschichte und vor allem vom Markt.«
    Die Bedienung brachte den Eiskaffee und unterbrach die etwas steife Unterhaltung. Janines Blick strich über den Platz und blieb an dem seltsamen Standbild hängen.
    »Irre ich mich, oder schleudert der Mann dort eine Hand in die Gegend.«
    »Du irrst dich nicht.
    »Und was soll das?«
    »Es ist ein römischer Soldat. Der Legende nach hat er einen Riesen bezwungen, der die Leute von Antwerpen tyrannisiert hat. Als Zeichen seines Sieges hat er dem Riesen die Hand abgeschlagen und in den Fluss geworfen. Der Name der Stadt leitete sich davon her.«
    »Bizarr«, sagte sie.
    »Wie geht es Marian?«, fragte ich.
    »Sie lebt in Boston. Neil geht es nicht gut.«
    »Seht ihr euch manchmal?«
    »Nicht oft. Aber wir telefonieren hin und wieder miteinander.«
    Ich hörte ihr zu und schaute sie an. Im Grunde wollte ich gar nicht viel sagen. Was auch? Sie stellte die nächste Frage. »Hast du noch Kontakte nach Hillcrest?«
    »Nein. Gar nicht.«
    »Du würdest es nicht wiedererkennen«, sagte sie. »Ich war im Herbst dort und konnte es kaum glauben. Der Campus ist mindestens fünfmal so groß wie früher. Er hat sich in alle Richtungen ausgedehnt. Die Wohnheime, die Institute, alles ist neu. Ich habe nur einen Ort wiedererkannt.«
    »Die Bibliothek?«
    »Von wegen. Die ist auch nicht mehr da, wo sie war. Nein. Ich meine den Pool. Er ist noch genau so wie damals. Und du hast recht. Ich schwimme

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