Der globale Eingriff
Auswahl aus den Straußwalzern aufgenommen.
Er half hinterher noch beim Aufräumen und bot sich an, die Medizin und die Extrarationen zu holen, die der Doktor Mrs. Harvey verschrieben hatte.
„Ohne Zweifel sind Sie tief beeindruckt und erstarren in Ehrfurcht vor dem ewigen Wunder der Geburt“, sagte der Arzt, als sie den Raum verließen. „Aber das ist doch kein Grund zum Weinen, Alter.“
Der Sarkasmus in der Stimme des Arztes konnte nicht ganz die Tatsache verschleiern, daß auch er zufrieden mit der Geburt war. Aber dieser Tage konnte ein Arzt es sich nicht leisten, menschliche Regungen zu zeigen, weil seine Patienten dies in Erfahrung bringen könnten und dann zuviel seiner Zeit in Anspruch nehmen würden, um Mitgefühl zu erheischen. Dies würde ihm nicht genug Zeit geben, seinen eigentlichen Beruf, die Behandlung der vielen Kranken und Verletzten in dem Block, ordnungsgemäß auszuüben. In den großen Wohnkomplexen war die Grenze zwischen Medizin und Psychologie präzise gezogen, und kein Arzt, der seinen Beruf wirkungsvoll auszuüben gedachte, konnte es sich erlauben, sie zu überschreiten.
Hesketh sagte: „Nein, Sir.“
Doc Menzies konnte nichts über eine bestimmte Kassette wissen, auf der sich Hesketh an eine andere Geburt erinnerte, die nicht gut verlaufen war. Seine Frau war damals kleiner gewesen, zarter und natürlich nicht so unterernährt wie Mrs. Harvey. Anders als das Kind der Harveys war das Baby groß gewesen. Trotzdem waren keine besonderen Schwierigkeiten vorhersehbar gewesen, und was geschehen war, wurde von dem behandelnden Doktor als eine Kombination statistisch unwahrscheinlicher Umstände bezeichnet, von denen keiner für sich allein tödlich gewesen wäre. Nur wenige Tage nach seiner Mutter war auch das Kind gestorben.
„Ich kann Sie verstehen“, sagte Doc Menzies in einem weitaus weniger sarkastischen Tonfall, „aber werden Sie nicht sentimental deswegen. Es gibt sowieso viel zu viele Menschen auf diesem Planeten, und die Chancen dieses kleinen Mädchens, in einem Ort wie diesem bis zur Reife heranzuwachsen, sind sehr gering. Aber ich bedanke mich trotzdem sehr herzlich für Ihre Hilfe, Alter. Vielen Dank. Und jetzt muß ich den Verband auf einer Stichwunde in Rosa Vierzehn Dreiunddreißig wechseln. Würden Sie mir die Ükass geben, die Sie da so festhalten. Mrs. Harvey braucht sie jetzt doch nicht.“
„Ich… ich fragte mich“, sagte Hesketh bittend, „ob ich sie vielleicht behalten könnte.“
„Aber warum denn? Es ist nichts darauf außer…“
„Musik“, sagte Hesketh. „Ich mag Strauß. Nur ganz wenige Menschen können sich heutzutage Radios leisten, und so könnte ich es mir abspielen und zuhören, wann immer ich es wollte.“
„Aber, Alter, Sie können ganz einfach eine Ükass bekommen, indem Sie zum Blockpsychologen gehen und Ihr Verlangen anmelden. Es ist eines der wenigen Rechte, die wir noch haben.“
„Ja, Doktor, ich weiß“, erwiderte Hesketh. „Meine ersten drei habe ich auf diese Weise bekommen, aber dann hat mir Doktor Hawkins gesagt, er werde mich wegen übersteigerten Konsums anzeigen, falls ich mich nicht zusammennehmen könne. Er hat es natürlich nicht so gemeint, aber ich hab mich nicht getraut, ihn um noch mehr zu bitten. Außerdem wurde die Musik auf ihnen durch eine Wand hindurch aufgenommen und klingt sehr gedämpft. Anders ist es bei dieser hier: Sie und Mrs. Harvey haben nicht viel Krach gemacht, das Radio war nur wenige Zentimeter entfernt und…“
„Geben Sie sie mir zurück“, sagte der Doktor lachend, „wenn sie genug davon haben.“
Hesketh hatte von Strauß nie genug, und deshalb fühlte er sich nicht verpflichtet, die Kassette zurückzugeben. Doc Menzies war stark überarbeitet, und Hesketh hatte sich erboten, ihm zu helfen. Entweder unmittelbar wie im Falle von Mrs. Harvey oder indirekt, wenn er die Patienten mit dringend benötigter Medizin versorgte, die sie sich nicht selber holen konnten. Es gab tatsächlich einige wenige schöne Tage, an denen Hesketh so sehr beschäftigt wurde, daß er noch nicht einmal Zeit hatte, sich die aufgenommene Musik und die Erinnerungen anzuhören, die er auf Kassette gesprochen hatte. Dann hatte er die Idee, sich durch den Doktor noch mehr Kassetten zu verschaffen.
Er erzählte dem Doktor – was nicht unbedingt gelogen war –, er werde in seinem hohen Alter langsam vergeßlich, und es sei vielleicht besser, wenn der Doktor seine Instruktionen in voller Länge auf Ükass spräche,
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