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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Adloff
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bekommen hatte, am Tag, bevor der sich erhängt hatte. Nein, es blieb ihm jetzt nichts übrig.
    Unter dem Schrank zog er das Schreibzeug hervor und ging hinunter in den Schankraum. Rotkopf war nirgends zu sehen. Der Feigling musste sich im Viehstall verdrückt haben.
    Frieder saß in seiner dämmrigen Ecke, von der aus er den ganzen Schankraum im Blick hatte, und drehte an seinen fetten Ringen. »Schreib was für uns.«
    Die anderen Männer machten Platz.
    »Ich kann aber noch nicht richtig schreiben.«
    »Muss ich erst mit Tullian sprechen?« Frieder reckte sich mit seinem dürren, schwarz behaartem Arm, der in einem feinen Gehpelz steckte, nach einer Talgfunzel und schob sie Lips hin. Dann diktierte er den Drohbrief: Die schwarze Garde des Hauptmanns Tullian wäre an die 140 Mann stark, sie hätten gute Gewehre, und wenn sich ihnen jemand in den Weg stellte, würden sie auf Leben und Tod gehen.
    Die Männer am Tisch beobachteten Lips, wie er die Feder in das Tintenfass tauchte und die Buchstaben auf das Papier kratzte.
    »Wer hat dem Jungen das nur beigebracht?«, fragte Lotter-Stoffel in die Runde und fuhr sich über das struppige Haar.
    »Seine Mutter bestimmt nicht!«, flüsterte der Böhmische Hans.
    Die Männer am Tisch lachten leise und sahen hinüber zu Lips' Mutter, die sich von der Grabich-Wirtin die Branntweinflasche nachfüllen ließ.
    »Wo bleibt nur Tullian?«, fragte Lotter-Stoffel.
    »Er wollte schon vorgestern zurück sein!«, rief die Mutter.
    Lips hielt das Blatt hoch, hauchte über die Tinte und las: »Wir wollen 150 Taler. Darunter geht es nicht. Punkt.«
    »Aber woher kann der das denn?«, fragte Lotter-Stoffel wieder.
    »Hab ich mir selbst beigebracht!«, sagte Lips stolz und genoss es, die erstaunten Gesichter zu sehen. »Das geht ganz einfach mit den Buchstaben, wenn man's mal begriffen hat. Das kann doch jeder, der…« Schon traf Lips ein Schlag hart auf den Kopf. Er schrie auf und hielt die Hände schützend über den Kopf.
    »Spielt sich hier auf, das Großmaul!« Der Schwarze Frieder griff nach dem Bogen. »Auch wenn du der Sohn von Tullian bist! Mach nicht so viele Schnörkel. Und die Spritzer! Die Nase ist ganz schwarz. Kostet alles nur Tinte! Jetzt schreib schon weiter. Und in einer Reihe, ist ja alles krumm und schief! Weiter jetzt!«
    »Was soll ich denn schreiben?«, fragte Lips kleinlaut.
    »Ehm, ja… Und wenn ihr nicht bezahlt«, diktierte Frieder, »dann stecken wir euch die Ställe an.«
    »Und die Taler«, sagte der Böhmische Hans, »die nehmen wir nur in guter Münze.«
    »Genau«, sagte Lotter-Stoffel. »Keine abgeknipperten oder aus schlechtem Silber. Sonst geht das ratz fatz! Da wird gar nicht lang gefackelt.«
    »Auch nicht mit die Weiber!«, rief der Prager, der im Sommer zur Bande gestoßen war, meist in Jägertracht ging und viel Feuer in den Augen hatte. Lips mied ihn, wo es ging. Der Vater hatte in letzter Zeit oft mit dem Prager getrunken und angekündigt, ihn zum Sergeanten zu ernennen – mit Jagdrecht auf die Weiber.
    Die Männer um den Tisch schwiegen und sahen Lips zu, wie er die Feder anspitzte.
    »Und wer bringt das Geschreibsel zu denen ins Dorf?«, fragte der Prager mit seiner hochtönenden Stimme.
    »Is mir zu weit«, sagte der Böhmische Hans. Er zog einen Stiefel aus und rieb den verklumpten Fuß. »Lips soll gehen, da kann er den Brief gleich vorlesen. Können die doch bestimmt nicht. Kann denn einer von euch lesen?«
    Alle schwiegen.
    »Genau!«, rief Prager. »Und wir legen uns ins Gebüsch und fangen alle ab, die Hilfe holen wollen. Kümmer mich um die Weiber!«
    Lips wurde heiß in Gedanken an den gefährlichen Auftrag. »Die Brandbomben sind noch nicht fertig, die Lunten müssen noch dran.«
    »Stimmt!«, sagte der Böhmische Hans und klopfte Lips anerkennend auf die Schulter. »Die vom Lips waren die besten. Muss man ihm lassen, da hat der was von weg!«
    »Weiter jetzt mit dem Brandbrief!«, sagte der Schwarze Frieder.
    Lips beugte sich über den Bogen und wartete auf die Worte von Frieder. In dem Augenblick flog die Tür der Schenke mit einem Krachen auf. Alle schreckten zusammen. Der Böhmische Hans, der neben Lips saß, griff sofort nach seiner Pistole, einige Männer sprangen von den Stühlen, Frieder blies die Talgfunzel aus, die Tür zur Küche wurde zugeschlagen, und die Kinder verkrochen sich hinter den Holzkörben.
    Lips hielt den Federkiel in der Hand und war wie erstarrt, da erkannte er die Gestalt seines Vaters, der im Tageslicht

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