Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
Vom Netzwerk:
viermal braucht man die Gefriertruhe, weil der Teig von den schnellen Maschinen nur unter Zugabe von Crash-Eis geknetet werden kann, um nicht zu überhitzen. Dann wird er eingefroren, im Anschluss im Tiefkühllager untergebracht und später nochmal in den Filialen in die Tiefkühltruhen gesteckt.« Vollkornbäcker Kaschik schloss mit den Worten: »Das kann man Brot doch nicht antun!«
Als ich doch noch auf Bäckerhandwerk stieß
    Ein sengend heißer Sommertag im Burgenland: Die Sonne brannte auf die reifen Kornfelder herab und tauchte sie in gleißendes Gold. Es war Mittagszeit. Den Weg hierher hatten mir keine Industrieschlote gewiesen und auch Straßenschilder mit der Aufschrift »Industriegebiet«, wie ich sie aus meinen bisherigen Erkundungen bereits kannte, waren mir unterwegs nicht aufgefallen. Ich befand mich weit, weit weg von den ratternden und tosenden Fabriken der Bio TM -Branche. Über dem alten Torbogen an der Straße verriet lediglich ein unscheinbarer Schriftzug, dass sich dahinter eine Bäckerei verbarg. Clemens Waldherr hatte soeben die Öfen ausgemacht, die er um drei Uhr morgens angeworfen hatte. Feierabend. Zumindest vorläufig, denn für Nachmittag standen Büroarbeiten an. »Mein Vater gründete als junger Mann unsere Bäckerei«, erklärte mir der Meisterbäcker, während er einen Laib Brot anschnitt, um ihn mit mir gemeinsam zu kosten. »Aber verantwortlich dafür, dass wir heute Bäcker sind, ist eigentlich meine Großmutter.« Als die Großeltern den alten Hof kauften, so der Vollkornbäcker, sei in einem der Räume ein voluminöser Backofen gestanden. Zu ihrem Sohn, Waldherr Senior, der als Jugendlicher einen Beruf erlernen musste, habe die Großmutter gesagt: »Wir haben jetzt einen Backofen im Haus, also wirst du Bäcker.« Die Zeiten waren anders als heute. Gelernt wurde das, was gebraucht wurde. Und das Dorf brauchte einen Dorfbäcker. »Mein Vater wollte eigentlich gar kein Bäcker werden«, fügte Clemens Waldherr lachend hinzu. Doch die Großmutter habe nicht mit sich diskutieren lassen und so sei schon damals der Grundstein für die heutige Vollkornbäckerei gelegt worden. »Meine Eltern arbeiteten ihr ganzes Leben lang hier.« Der Vater habe seinen Kindern immer davon abgeraten, Bäcker zu werden, weil er selbst nie richtig glücklich in diesem Beruf gewesen war. Nach einer HTL-Matura entschied sich Clemens Waldherr dann aber doch – und gegen den Rat seines Vaters – für die Bäckerzunft. »Unser täglicher Backbetrieb teilt sich auf zwei Werkstätten zu jeweils siebzig Quadratmetern auf«, erfuhr ich von dem Bäckermeister. Das Vollwertmehl wird jeden Morgen frisch gemahlen, im Keller lagert das Getreide. Kein einziges Stück Brot aus diesem Handwerksbetrieb landet in den Regalen eines konventionellen Supermarktkonzerns. Die Bio-Backwaren und Bio-Kuchen warten in den drei eigenen Verkaufsfilialen der Bäckerei darauf, von den Kundinnen und Kunden eingesackt zu werden.
    »Ich bin Bäcker und Geschäftsführer in einem. Ich bin die Marketingabteilung und die Logistikabteilung. Ich bin der Einkäufer und der Verkäufer.« Für gewieftes Marketing interessiere sich der Vollkornbäcker nicht. »Ich habe keine Lust, irgendwelche künstlichen Mythen rund um meine Produkte entstehen zu lassen. Wenn den Kundinnen und Kunden mein Brot schmeckt, dann kommen sie ohnedies wieder.« Clemens Waldherr wolle den Anteil an Handarbeit so hoch wie möglich halten und das ginge in der Massenproduktion nicht. Deswegen störe es ihn, sagte er, wie sich die großen Industriebäckereien in den Medien mit den Federn des Handwerks schmückten: »Es werden oft nur Ausschnitte aus den Betrieben gezeigt oder überhaupt Schauplätze inszeniert, die gar nicht existieren.« In der Werbung sehe man Bäuerinnen, Bauern und gemütliche Backstuben anstatt die Realität. Man bediene sich wohlklingender Worte und jede Kleinigkeit werde ganz groß aufgeblasen. Der Bäcker legte einen Zeitungsartikel auf den Tisch, in dem für das Bio-Brot eines Supermarktkonzerns geworben wurde. »Wir rühren behutsam Wasser und Mehl an«, stand in dem Werbeartikel zu lesen. Und weiter: »Fachleute kneten und backen feinste Sorten.« Clemens Waldherr lachte. Die Werbung der Industrie, auch der Bio-Industrie, arbeite ihm zu sehr mit unterschwelligen Botschaften, die ein geschöntes Bild entstehen ließen, erklärte er. Die Übertreibung, Mystifizierung, Harmonisierung und Glättung der Tatsachen in der Werbung seien ihm ein Dorn im

Weitere Kostenlose Bücher