Und plotzlich ist es Gluck
1
Es ist Freitagnachmittag, und meine Periode ist überfällig. Seit genau zwei Stunden und siebenunddreißig Minuten. Um elf Uhr dreiundzwanzig hätte ich meine Tage bekommen sollen. Um elf Uhr dreißig wurde ich nervös.
Inzwischen ist es Viertel nach zwei, und ich warte noch immer. Die Angst hat mich eisern im Griff. Ich ringe nach Luft. Hyperventiliere ich, wie Maureen?
»Alles in Ordnung, Scarlett?« Das ist Elliot, mein Boss. Elliot ist unser heimlicher Westlife-Fan. Davon gibt es in jeder irischen Firma einen.
»Ich muss los«, sage ich und erhebe mich.
»Du bist in letzter Zeit so zappelig wie eine Katze auf dem heißen Blechdach«, stellt er fest.
Ich bin nahe daran, ihn einzuweihen, lasse es dann aber doch bleiben. Er würde den Ernst der Lage nicht verstehen. Er würde sagen, dass bei einer Verzögerung von – ich sehe auf meine Armbanduhr – zwei Stunden und zweiundfünfzig Minuten von »ausgeblieben« noch keine Rede sein kann.
»Und überhaupt, du kannst jetzt nicht einfach verschwinden. Unser Jour fixe steht gleich an.«
»Ich gehe nicht hin.«
»Du musst. Du weißt, dass ich ohne dich aufgeschmissen bin.«
»Unsinn. Du bist zweiundvierzig, Herrgott nochmal.«
»Ich werde erst nächsten Monat zweiundvierzig, das weißt du genau.«
Ich darf ihn auf keinen Fall ansehen. Wenn ich ihm ins Gesicht sehe, bin ich verloren. Ich starre auf meinen Laptopbildschirm. »Ich habe zu viel um die Ohren.«
»Von wegen. Du spielst Backgammon. Dein Monitor spiegelt sich im Fenster hinter dir.«
Mist. Ich hätte die Jalousien schließen sollen.
»Also gut.« Ich gebe mich geschlagen und beende das Spiel. »Aber du solltest mich nicht immer zu diesen Besprechungen mitschleppen. Das wirft ein schlechtes Licht auf dich.«
»Im Gegenteil«, widerspricht er. »Jeder weiß, dass ich ohne dich nicht in der Lage bin, Simons Fragen zu beantworten. «
»Warum bist du noch gleich mein Chef?«
»Weil meine Mutter eine Medienmogulin ist, gegen die Rupert Murdoch wie ein Zeitungsjunge aussieht«, kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück. »Ganz abgesehen von der Tatsache, dass ihr haufenweise Aktien dieser Firma gehören.«
»Stört dich das eigentlich nicht?« Mir habe ich diese Frage schon des Öfteren gestellt, ihm bislang noch nicht. Mein Taktgefühl scheint sich in Luft aufgelöst zu haben, genau wie mein Freund.
Elliot überlegt. »Wahrscheinlich würde es mich stören, wenn das hier ein Bestattungsunternehmen wäre und ich den ganzen Tag Leichen einbalsamieren müsste«, sagt er schließlich.
»Ach, wer weiß«, winke ich ab. »In einer Leichenhalle ist es wenigstens schön ruhig.«
»Da ist ja mal wieder jemand besonders gut drauf, wie?«
»Warum sollte ich wohl gut drauf sein?«
»Hm, das klingt, als bräuchtest du dringend eine Umarmung. « Schon kommt er auf mich zu.
Ich setze meinen bewährten Blick ein, um ihn zu stoppen. Den, bei dem meine Augenbrauen nach oben wandern wie die Tower Bridge in London. »Untersteh dich, sonst beiße ich dich ins Ohr, bis du flennst wie ein Mädchen.«
»Hey, hey, ganz ruhig. «
»Und außerdem schicke ich dich allein zum Jour fixe.«
Elliot bleibt stehen und lässt die Arme sinken. »Okay, okay, okay. Ich versuche doch nur, dich aufzumuntern.«
»Ich weiß«, sage ich und gebe mir größte Mühe, ihn anzulächeln.
»Hast du Zahnschmerzen?«, erkundigt er sich besorgt.
»Nein, warum?«
»Du wirkst irgendwie, als hättest du Schmerzen.«
Ich gebe meinen Versuch zu lächeln auf und seufze. Ich bin erschöpft. Vermutlich, weil ich gleich meine Tage kriege. Es muss jede Minute losgehen.
»Also gut, ich komme mit. Aber erst muss ich noch kurz für kleine Mädchen.« Um zu überprüfen, ob ich meine Periode bekommen habe, ohne es zu bemerken. Hmpf. Eher verpasst Filly eine Folge von Home and Away.
Das Management kommt stets am letzten Freitag des Monats zusammen, und obwohl ich genau genommen nicht zum Management gehöre, besteht Elliot darauf, dass ich ihn begleite. Er fürchtet sich ein wenig vor Simon Kavanagh, unserem Geschäftsführer. Was in Anbetracht der Tatsache, dass Simon meist den Gesichtsausdruck einer Bulldogge zur Schau trägt, durchaus verständlich ist. Außerdem brüllt Simon oft rum. Er ist nämlich auf dem linken Ohr taub und verweigert standhaft die Anschaffung eines Hörgeräts mit dem Argument, es würde die Aufmerksamkeit auf die Haare lenken, die ihm aus den Ohren sprießen (und die im Gegensatz zu seinem schütteren grauen
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