Der große Bio-Schmaeh
Bedürfnissen von Industrie und Handel: leistungsstark im Sinne der Menge, einheitlich und formgleich, beinahe so strapazierfähig wie Gummibälle. Das muss so sein, wenn man Obst und Gemüse auf Fließbandanlagen wie dieser sortiert und verpackt (Abb. S. 178):
alte oder samenfeste Sorte
moderne Hybridsorte
Definition
Entsteht durch traditionelle Methoden der Pflanzenzucht und unter natürlichen Bedingungen; durch die Zwänge des modernen Marktes stark zurückgedrängt und zu großen Teilen bereits »ausgestorben«
Entsteht durch Kreuzung unter der Kontrolle von Saatgutkonzernen: Es werden vereinheitlichte Mutter- und Vaterlinien ausgewählt, die sich genetisch voneinander so stark wie möglich unterscheiden, dabei aber gerade noch miteinander kreuzbar sind. Ihre Zucht erfolgt getrennt voneinander unter strenger Abschirmung. Sodann werden Mutter- und Vaterpflanzen unter Laborbedingungen miteinander gekreuzt. Durch die große genetische Unterschiedlichkeit kommt es in der Generation »F1« zu einer besonders wirkungsvollen Rekombination des Erbguts – zum sogenannten Heterosiseffekt. Die nachfolgende Generation weist besondere Eigenschaften auf, die unter natürlichen Bedinungen nie zustande kommen würden.
Primäre
Zuchtziele
Anpassung an den Standort; Förderung von Geschmack und Inhaltsstoffen; Toleranz gegenüber standortspezifischen Krankheitserregern; nachhaltige Versorgung mit Saatgut; Förderung der Sortenvielfalt
schnelles Wachstum; hohe Erträge und hohe Gewichte der geernteten Teile; logistische Strapazierfähigkeit und long shelf life (lange Haltbarkeit im Lager und im Regal); einheitliche Form und Eignung zur maschinellen Verarbeitung und Verpackung
Biologie
Samenfest, d.h. das Saatgut, das der Frucht entnommen wird, bringt gesunde Nachkommen hervor; dadurch besteht die Möglichkeit, die Sorten von Jahr zu Jahr zu vermehren und den Bedingungen des Standortes anzupassen. Der Erhalt samenfester Sorten ist essenziell für die landwirtschaftliche Versorgung der Menschheit.
Degenerierte Designersorten; aus dem Saatgut gehen keine stabilen Nachkommen hervor; die Samen sind unbrauchbar und die Bäuerinnen und Bauern sind darauf angewiesen, jedes Jahr neues Saatgut beim entsprechenden Konzern zu beziehen; störungsanfälliges System, das in keiner Weise in der Lage ist, eine stabile Saatgutversorgung für die Zukunft der Menschheit sicherzustellen.
Geschmack, Inhaltsstoffe
Geschmacksvielfalt; intensiver Geschmack; meist reich an Inhaltsstoffen
Geschmacks- und Inhaltsstoffe zugunsten der Markttauglichkeit reduziert
Einsatz
vorwiegend an Klein- und Mittelbetrieben des ökologischen Nischenmarktes; im extensiven oder privaten Gartenbau; stark reduziert und aus dem Kontext gerissen als Image-Bildner des Massenmarktes
am konventionellen Massenmarkt; am biologischen Massenmarkt unter der Schirmherrschaft der Bio TM -Marken
Alte Sorte vs. moderne Hybridsorte
Bio-Apfelfließband in der Steiermark
»Bio hin oder her, der Handel will Zahlen. Hohe Zahlen. Ertragszahlen!«, erläuterte mir ein Bio-Produzent den Grund, weshalb auf dem Massenmarkt heute fast nur noch Hochleistungssorten zu finden sind, aus deren Samen nicht einmal mehr ein brauchbarer Keimling hervorgeht. »Speedy« nennt sich beispielsweise eine niederländische Kohlrabisorte, die sich bei den Bio-Produzenten unserer Supermärkte aufgrund ihres raschen Wachstums – sie wächst eben »speedy« – besonderer Beliebtheit erfreut.
Diese Tomaten aus Monsanto-Saatgut 80 wachsen für
Ja!Natürlich
heran.
In den Gewächshausflotten eines steirischen Großproduzenten für Bio TM -Tomaten und Bio TM -Paprika, der unter Exklusivvertrag mit einem österreichischen Supermarktkonzern steht, fand ich eine Tomatensorte des internationalen Saatgutkonzerns Monsanto. Das ist jener Multikonzern, der medial bereits für Furore gesorgt hat. Laut der vielfach ausgezeichneten französischen Journalistin Marie-Monique Robin soll der Chemie- und Biotech-Riese mehr als neunzig Prozent der weltweiten Patente auf gentechnisch manipulierte Organismen in Händen halten. 79
Der Monsanto-Konzern, der schon zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte vor Gericht gezerrt hat, weil auf deren Äckern »Monsanto-Patentgene« gefunden wurden, wird von Agrarökonomen immer wieder für seinen offensiven Aufkauf von Konkurrenzfirmen kritisiert, der – so das Argument der Kritiker – zu einer Monopolstellung geführt habe. Einer der aufgekauften Saatgutkonzerne ist die Firma De Ruyter Seeds in
Weitere Kostenlose Bücher