Der große Bio-Schmaeh
Händen desselben Geflügelkonzerns stammt wie das konventionelle? Kaufen wir das Bio TM -Huhn, so stimmen wir – wieder per Geldausgabe – für die Bio-Geflügelmasthallen, für JA-757 und automatische Nester, für Hühnerfließbänder und zentrale Massenschlachthöfe. Da im Supermarkt Wahlfreiheit herrscht, bleibt es natürlich jedem Bio-Konsumenten offen, diese Produktionsbedingungen abzusegnen – oder eben nicht. Der Nachhaltigkeitszug, auf den die konventionellen Lebensmittelkonzerne aufgesprungen sind, ist jedoch ambivalent zu betrachten: Durch den Kauf von Bio-Produkten im Supermarkt oder beim Discounter sichern wir Strukturen ab, die im Sinne der Nachhaltigkeit eigentlich geändert werden sollten – Strukturen, die mit der ursprünglichen Idee des Ökolandbaus nichts zu tun haben. Die bekannte Klimaforscherin, Buchautorin und Universitätsprofessorin Helga Kromp-Kolb (Universität für Bodenkultur, Wien) brachte das Problem des Einkaufs von Bio-Produkten in konventionellen Supermärkten mit folgendem Vergleich auf den Punkt:
»Es ist, als würde man einen
Hummer
mit Bio-Treibstoff fahren: Eigentlich weiß man, dass dieses Auto und Nachhaltigkeit nicht zusammenpassen, doch der Bio-Treibstoff gibt einem ein gutes Gewissen. Es wäre aber nachhaltiger, gar nicht
Hummer
zu fahren.« 82
Multiplying Davids
Was also können diejenigen von uns tun, die nicht mehr Hummer fahren möchten? Gibt es Alternativen zum Bio-Einkauf im Supermarkt oder beim Discounter? Während der Bio TM -Massenmarkt aufgrund seiner zentralisierten Organisation relativ homogen ist, kann man dies vom ökologischen Nischenmarkt nicht behaupten. Im Rahmen meiner Erkundungen stellte ich aber eindeutig fest, dass man sich dort bedeutend weniger vom Gigantismus leiten lässt. 83 Für Bio-Konsumenten ist es eine Überlegung wert, sich an den Öko-Nischenmarkt zu wenden. Viele regionale Markt- und Produktionsstrukturen sowie Klein- und Mittelbetriebe sind zwar inzwischen verschwunden und die alternativen Strukturen sind stark in Mitleidenschaft gezogen, es ist jedoch nicht zu spät. Das natürliche, gesunde Wachstum des Ökomarktes, das in den Neunzigern durchbrochen wurde, um zum kommerziellen Bio-Boom aufgeblasen zu werden, lässt sich jederzeit wieder aufnehmen. Denn die Ökolandbaubewegung ist noch am Leben und der ökologische Nischenmarkt steht uns noch immer zur Verfügung. Wenn wir aus dem Hummer aussteigen möchten, könnten wir uns etwa einen Bio-Laden unseres Vertrauens suchen. Wir könnten gezielt nach Produkten fragen, die unseren Vorstellungen entsprechen. Mit unserer Nachfrage könnten wir am Nischenmarkt einiges in Bewegung setzen. Um unsere Macht als Käufer wirklich auszunutzen, müssten wir aber auch bereit sein, den Konsum in manchen Fällen zu verweigern. Wer soll künftig Hühnerfließbänder, Todeskarusselle und fahrende Erntefabriken betreiben, wenn wir die Waren aus solchen Produktionen einfach im Regal stehen lassen? Der Grund, weshalb viele Konzerne ihr Süppchen weiterkochen können – jetzt sogar unter dem »Öko-Mäntelchen« –, ist der, dass wir unsere Macht als Konsumenten unterschätzen und nicht einsetzen.
Wir sind wie schlafende Riesen. Erwachen wir erst aus unserem Schlummer, sind wir mächtig genug, die Zukunft der Nahrungsproduktion aktiv mitzugestalten.
Ein Beispiel: Weniger Fleisch zu essen hätte nicht nur gesundheitliche, sondern auch bedeutende ökologische Vorteile. Die Fleischproduktion ist eine der größten Quellen für Treibhausgase. Sie ist auch nicht nachhaltig: Um eine Energieeinheit Fleisch zu produzieren, muss erst ein Vielfaches an Nahrung verbraucht werden: Beim Mästen von Tieren geht bedeutend mehr pflanzliche Nahrung verloren, als wir letztendlich in Form von Fleisch herausbekommen. Agrarwissenschaftler gehen von einem Verlust an Nahrungsenergie durch die Fleischproduktion im Bereich des Acht- bis Zehnfachen aus. Um unsere Macht als Konsumenten zu nutzen, können wir mit ruhigem Gewissen auch mal »Nein« zum Konzernprodukt Super-Huhn sagen, egal ob es ein konventionelles oder ein Bio TM -Produkt ist. Anstatt viel JA-757 zu essen, könnten wir weniger Fleisch zu uns nehmen und dafür konsequenter auf die Quelle achten. Wenn beispielsweise die Nachfrage nach Eiern von alten Rassen steigt und wir auch bereit sind, angemessene Preise dafür zu bezahlen, haben Bio-Bauern wieder die Möglichkeit, solche Eier zu produzieren. Und eines steht fest: Küken von alten Kulturrassen werden nicht
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