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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Körben zugetragen, und diese reichlichen Vorräte bildeten die Grundlage zu einem stattlichen Wohlleben, welches alsobald begann, wenn das geräuschvolle Gewölbe geschlossen war und in der noch seltsameren Wohnstube das häusliche Abendleben zur Geltung kam. Dort hatte Frau Margret diejenigen Gegenstände zusammengehäuft und als Zierat angebracht, welche ihr in ihrem Handel und Wandel am besten gefallen hatten, und sie nahm keinen Anstand, etwas für sich aufzubewahren, wenn es ihr Interesse erweckte. An den Wänden hingen alte Heiligenbilder auf Goldgrund und in den Fenstern gemalte Scheiben, und allen diesen Dingen schrieb sie irgendeine merkwürdige Geschichte oder sogar geheime Kräfte zu, was ihr dieselben heilig und unveräußerlich machte, sosehr auch Kenner sich manchmal bemühten, die wirklich wertvollen Denkmäler ihrer Unwissenheit zu entreißen.
    In einer Truhe von Ebenholz bewahrte sie goldene Schaumünzen, Ketten, Becher, silberne Filigranarbeiten und andere köstliche Spielereien, für welche sie eine große Vorliebe trug und dieselben nur wieder veräußerte, wenn ein besonderer Gewinn sich damit verband, was öfters der Fall war. Endlich war auf einem Wandgestelle eine beträchtliche Zahl unförmlicher alter Bücher aufgespeichert, welche sie mit großem Eifer zusammenzusuchen pflegte. Es waren verschiedene Bibeln, alte Kosmographien mit zahllosen Holzschnitten, fabelgespickte Reisebeschreibungen, vorzüglich nordische, indische und griechische Mythologien aus dem vorigen Jahrhundert mit großen zusammengefalteten Kupferstichen, welche vielfach zerknittert und zerrissen waren; sie nannte diese naiv geschriebenen Werke schlechtweg Heiden-oder auch Götzenbücher. Ferner hielt sie eine reiche Sammlung solcher Volksschriften, welche Nachricht gaben von einem fünften Evangelisten, von den Jugendjahren Jesu, noch unbekannten Abenteuern desselben in der Wüste, von einer Auffindung seines wohlerhaltenen Leichnams nebst Dokumenten von der Erscheinung und den Bekenntnissen eines in der Hölle leidenden Freigeistes; einige Chroniken, Kräuterbücher und Prophezeiungen vervollständigten diese Sammlung. Für Frau Margret hatte ohne Unterschied alles, was gedruckt war sowohl wie die mündlichen Überlieferungen des Volkes, eine gewisse Wahrheit, und die ganze Welt in allen ihren Spiegelungen, das fernste sowohl wie ihr eigenes Leben, waren ihr gleich wunderbar und bedeutungsvoll; sie trug noch den lebendigen ungebrochenen Aberglauben vergangener kräftiger Zeiten an sich ohne Verfeinerung und Schliff. Mit neugieriger Liebe erfaßte sie alles und nahm es als bare Münze, was ihrer wogenden Phantasie dargeboten wurde, und sie bekleidete es alsbald mit den sinnlich greifbaren Formen der Volkstümlichkeit, welche massiven metallenen Gefäßen gleichen, die trotz ihres hohen Alters durch den steten Gebrauch immer glänzend geblieben sind. Alle die Götter und Götzen der alten und jetzigen heidnischen Völker beschäftigten sie durch ihre Geschichte sowohl als durch ihr äußeres Aussehen in den Abbildungen, hauptsächlich auch daher, daß sie dieselben für wirkliche lebendige Wesen hielt, welche durch den wahren Gott bekämpft und ausgerottet würden; das Spuken und Umgehen solcher halb überwundenen schlimmen Käuze war ihr ebenso schauerlich anziehend wie das grauenvolle Treiben eines Atheisten, unter welchem sie nichts anderes verstand und verstehen konnte als einen Menschen, welcher seiner Überzeugung von dem Dasein Gottes zum Trotz dasselbe hartnäckig und mutwillig leugne. Die großen Affen und Waldteufel der südlichen Zonen, von denen sie in ihren alten Reisebüchern las, die fabelhaften Meermänner und Meerweibchen waren nichts anderes als ganze gottlose, nun vertierte Völker oder solche einzelne Gottesleugner, welche in diesem jammervollen Zustande, halb reuevoll, halb trotzig, Zeugnis gaben von dem Zorne Gottes und sich zugleich allerlei mutwillige Neckereien mit den Menschen erlaubten.
    Wenn nun am Abend das Feuer prasselte, die Töpfe dampften, der Tisch mit den soliden volkstümlichen Leckereien bedeckt wurde und Frau Margret behaglich und ansehnlich auf ihrem zierlich eingelegten Stuhle saß, so begann sich nach und nach eine ganz andere Anhängerschaft und Gesellschaft einzufinden, als die den Tag über in dem Gewölbe zu sehen waren. Es waren dies arme Frauen und Männer, welche, teils durch den Duft des wohlbesetzten Tisches, teils durch die belebte Unterhaltung von höheren Dingen

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