Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
Doch dachte ich nicht so leicht an eine Erfüllung meines Wunsches, als ein günstiger Stern dieselbe unverhofft darbrachte.
Wir standen eines Abends ziemlich mutlos vor einer Seitentür, als eben der Faust gegeben wurde. Wir hatten gehört, daß man den famosen Doktor Faust, den wir genugsam kannten, nebst dem Teufel und allen seinen Herrlichkeiten sehen würde, fanden aber heute alle Hindernisse unübersteiglich, welche auf unsern gewohnten Schlupfwegen sich entgegenstellten. So hörten wir betrübt die Klänge der Ouvertüre, welche von den vornehmen Liebhabern der Stadt aufgeführt wurde, und zerbrachen die Köpfe über einem noch möglichen Eindringen. Es war ein dunkler Herbstabend und regnete kühl und anhaltend.
Es fror mich, und ich dachte ans Nachhausegehen, zumal sich die Mutter über das abendliche Umhertreiben beklagt hatte, als die dunkle Tür sich öffnete, ein dienstbarer Geist heraussprang und rief: »Heda, ihr Buben! Drei oder vier von euch mögen hereinkommen, die sollen einmal mitspielen!« Auf dieses Zauberwort drängten sich sogleich die Stärksten in das Haus; denn dies war ein Fall, wo ein jeder nur an sich selbst denken durfte. Er wies sie aber zurück, indem er sie für zu groß und dick erklärte und mich, der ich ohne sonderliche Hoffnungen im Hintergrunde stand, heranrief und sagte: »Der da ist recht, der wird eine gute Meerkatze sein!« Dazu ergriff er noch zwei andere, schmächtig gewachsene Jungen, schloß die Tür hinter uns und marschierte an unserer Spitze nach einem kleinen Saale, welcher als Garderobe diente. Dort hatten wir nicht Zeit, die aufgehäuften Gewänder, Waffen und Rüstungen zu betrachten; denn wir wurden schnell unserer Kleider entledigt und in abenteuerliche Pelze gesteckt, welche vom Kopf bis zum Fuße eine Hülle bildeten.
Das Meerkatzengesicht konnte wie eine Kapuze zurückgeschlagen werden, und als wir solchergestalt verwandelt dastanden, die langen Schwänze in der Hand haltend, lächelten wir ganz vergnügt und beglückwünschten uns nun erst zu unserm unverhofften Glücke. Nun wurden wir auf die Bühne geführt, wo wir von zwei großen Meerkatzen lustig begrüßt und in aller Eile für unsere bevorstehende Aufgabe unterrichtet wurden. Wir begriffen dieselbe bald und leisteten eine gelungene Probe verschiedener Purzelbäume und Affensprünge, spielten auch zierlich mit einer Kugel, so daß wir bis zu unserm Auftreten entlassen wurden. Wir spazierten gravitätisch unter dem Gedränge herum, das sich auf dem schmalen Raume zwischen den vier wirklichen und den gemalten Wänden schob und mischte; ich schaute unverwandt bald auf die Bühne, bald hinter die Kulissen und beobachtete mit hoher Freude, wie aus dem unkenntlichen, unterdrückt lärmenden und streitenden Chaos sich still und un merklich geordnete Bilder und Handlungen ausschieden und auf dem freien, hellen Raume erschienen wie in einer jenseitigen Welt, um wieder ebenso unbegreiflich in das dunkle Gebiet zurückzutauchen. Die Schauspieler lachten, scherzten, koseten und zankten, hier und da ging einer plötzlich von seiner Gruppe weg und stand in einem Augenblicke einsam und feierlich mitten auf dem Zauberbanne und machte ein so frommes Gesicht gegen die mir unsichtbare Zuschauerwelt hinaus, als ob er vor den versammelten Göttern stände. Ehe ich mich dessen versah, war er wieder mit einem Sprunge unter uns und setzte die unterbrochenen Schimpf-oder Schmeichelreden fort, indessen schon irgendein anderer sich ausgeschieden hatte, um es ebenso zu machen. Die Menschen führten ein doppeltes Leben, wovon das eine ein Traum sein mochte; aber ich wurde nicht klug daraus, welches davon der Traum und welches für sie die Wirklichkeit war. Lust und Leid schien mir in beiden Teilen gleich gemischt vorhanden zu sein; doch im innern Raume der Bühne, wenn der Vorhang geöffnet war, schien Vernunft und Würde und ein heller Tag zu herrschen und somit das wirkliche Leben zu bilden, während, sobald der Vorhang sank, mit ihm alles in trübe, traumhafte Verwirrung zu sinken schien. Auch dünkte es mich, daß diejenigen, welche sich in diesem wüsten Traume am heftigsten und leidenschaftlichsten gebärdeten, dort in dem bessern Stück Leben, wenn die Sonne des Kronleuchters hereinschien, die edelsten und ausdruckvollsten Gestalten waren; diejenigen aber, welche in der Nähe ruhig, kalt und friedfertig herumstanden, in jenem Glanze eine ziemlich traurige Rolle spielten. Der Text des Stückes war die Musik, welche das
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