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Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Michel.«
    »W-was … Wie meinen Sie das?«
    »Die Art und Weise, wie Sie damals über meinen Vater gesprochen haben …«
    »So, die Kette ist wieder drauf.«
    »Danke.« Sie setzte ihren Fuß erneut auf die obere Pedale und spann ihren Gedankenfaden fort. »Ich hatte an diesem Abend den Eindruck, Sie seien aufrichtig zu mir gewesen.«
    Nico wurde heiß. »Nur an diesem Abend?«
    Sie schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln. »Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, Herr Michel. Ich will mich da in nichts einmischen. Jedenfalls hörten Sie sich in dem, was Sie über meinen Vater sagten, sehr überzeugt an.«
    »Na ja … ich …«
    »Denken Sie heute anders über ihn?«
    »Auf alle Fälle! Ich verdanke ihm eine gute Arbeit und vermutlich bald auch meine Einbürgerung – das Schreiben vom Ministerium kann täglich eintreffen …«
    »Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Sie unterbreche, Herr Michel, aber ich habe das Gefühl, Sie weichen mir aus.«
    Nico schluckte. Bin ich aus Glas? »Wie kommen Sie darauf?«
    »Hinter Ihrer Stirn ist etwas, das sich mir entzieht.«
    Also doch nicht, zum Glück! »Das scheint mir bei uns allen so zu sein.«
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    »Aber dieses Etwas ist da. Ich kann es spüren. Es hat mit meinem Vater zu tun, nicht wahr?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich habe Sie beobachtet, Herr Michel. Ihr Blick, wenn Sie ihn anschauen – da ist so ein Glitzern in Ihren Augen, das mir nicht behagt.«
    Nico hätte aus der Haut fahren können. Warum schaffte Laura es immer wieder, ihn in die Enge zu treiben? »Na ja, die Leute er-zählen sich eben so einiges über Don Massimiliano. Ist doch nicht verwunderlich, wenn man sich da so seine Gedanken macht.«
    »Geht es wieder um meine Geschwister?«
    »Nein. Für einen, der vorgibt, ein guter Katholik zu sein, finde ich die Einstellung Ihres Vaters zur ehelichen Treue zwar fragwürdig, aber was mich umtreibt, sind ganz andere Dinge. Da ist von dunklen Geschäften die Rede …« Die Antwort war kaum heraus, als Nico sie auch schon bereute.
    Lauras Augen hatten sich wieder in Schießscharten verwan-
    delt. »Halten Sie es für möglich, dass die Leute nur neidisch sind, Signor Michel?«
    »Äh …«
    »Mein Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er mag gerissen sein, da gebe ich Ihnen Recht, aber er ist kein Verbrecher.
    Guten Tag, und danke für die Reparatur der Kette.«
    Laura warf das Gewicht ihrer ganzen Entrüstung auf die Pedale – und scheiterte abermals. Die Kette war erneut abgesprungen, und das Mädchen fand sich einmal mehr in Nicos Armen wieder. Schneller als zuvor befreite es sich aus seinem Griff.
    »Warum grinsen Sie so?«
    »Entschuldigen Sie, Donna Laura. Wenn Sie erlauben, nehme ich mir ihr Fahrrad bei nächster Gelegenheit vor. Die Kette sollte mal nachgespannt werden.«
    »Sind Sie sicher, dass es nur daran liegt?«
    Nico spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. »Wie meinen Sie das?«
    Sie lächelte auf eine Weise, die es ihm schwer machte, darin 140
    den Grad ihrer Freundlichkeit abzulesen. »Die Leute reden nicht nur über meinen Vater, sondern auch über Sie, Herr Michel.«
    »Na ja, in Nettuno wird ständig getratscht. Die Stadt ist klein.«
    »Nettunia, Herr Michel. In drei Monaten sind wir eine große Stadt mit weit mehr Klatschmäulern als noch im letzten Jahr.
    Manche sagen, es gehe nicht mit rechten Dingen zu, was Sie mit Uhrwerken, Getrieben und anderen Apparaturen anstellen.«
    Er atmete auf. »Ich bin nicht mit dem Teufel im Bunde, falls Sie das meinen. Gott hat mir nur ein glückliches Händchen im Umgang mit den leblosen Dingen gegeben.«
    »Und warum sollte er so etwas tun?«
    »Vielleicht weil es an Gärtnern und Löwenbändigern keinen Mangel gibt.«
    Laura ließ sich von seiner forschen Antwort nicht aus der Fassung bringen. »Haben Sie die Fahrradkette zweimal abspringen lassen, Herr Michel?«
    Nico öffnete den Mund, wurde abermals knallrot und klappte ihn wieder zu.
    Sie nickte wissend. »Also, ja. Ich habe mir gleich so etwas gedacht.«
    Er breitete die Hände aus. »Aber wie sollte ich das angestellt haben, Donna Laura?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Man hört eben so dies und das.«
    »Alles Humbug!«
    »Es soll zwischen den unbelebten Dingen und Ihnen eine seltsame Affinität geben.«
    »Was ist daran seltsam?«
    »Angeblich nennen Sie Ihr weißes Motorrad Albino. Es soll Ihnen aufs Wort gehorchen und manchmal schon anspringen,
    bevor Sie überhaupt die Zündung betätigt oder irgendein Pedal getreten

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