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Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition)

Titel: Der Hirte, Teil 3 (Der Hirte - eine mittelalterliche Weihnachtsgeschichte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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du kannst mir Angst machen?“, fragte sie leise. „Noch so ein Vorschlag, und wir sind geschiedene Leute“, sagte Rainald.
„Also gut. Wirst du es mir erklären?“
„Nein.“
„Wirst du uns in Sicherheit bringen?“
„Ja.“
Sie nickte. Plötzlich lächelte sie. „Als du mit deinem Schwert in der Hand den Wölfen entgegengetreten bist, habe ich mir für einen Augenblick gewünscht, ein Krieger zu sein und meine Gefährten mit der Klinge verteidigen zu können“, sagte sie.
Rainald musterte sie, noch immer über den Sack gebückt. „Als ich Euch mit dem Zweig in der Hand sah, wünschte ich mir für einen Augenblick, eine Klosterschwester zu sein und einfach in den Schnee fallen zu dürfen, statt zu kämpfen.“ „Ich war wohl nicht sonderlich effektiv.“
„Ihr habt den Wolf verjagt, der Johannes … er hatte soviel Angst vor Euch, dass er Reißaus nahm.“
„Er war nur nicht darauf gefasst. Ich nehme an, er hatte mich als Nachtisch eingeplant und nicht damit gerechnet, dass das Dessert plötzlich auf ihn losgeht.“
Rainald lächelte. Er spürte es als ein Gefühl, das er verlernt zu haben glaubte. „Ihr hättet ihm bestimmt ein oder zwei Härchen gekrümmt.“
„Was glaubst du, wo die Wölfe sind?“
„Sie haben sich zurückgezogen und formieren sich neu. Der Anführer hat drei von den jungen Burschen vorgeschickt, die sich erst eine Stellung im Rudel erarbeiten müssen. Jetzt weiß er, dass es nicht so einfach ist, mit uns fertig zu werden.“ Jedenfalls hoffe ich, dass er es weiß, fügte Rainald in Gedanken hinzu. Oder besser gesagt: Ich hoffe, dass er nicht weiß, wie leicht er tatsächlich mit uns fertig werden kann. „Bist du schon einmal über die Furt gegangen?“
„Nein. Ich weiß nur, wo sie ist.“
„Wie kommen wir dorthin? Durch den Wald?“
Rainald nickte. „Die Bäume gehen bis zum Ufer. Ich glaube, die Wölfe werden uns dort nicht angreifen.“
„Weshalb nicht?“
„Sie haben uns die ganze Zeit über nicht angegriffen; erst, als wir im Freien bei der Hütte waren. Sie wollen uns auf dem offenen Feld stellen. Zwischen den Bäumen kann das Rudel seine Taktik nicht entfalten, die Beute zu Tode zu hetzen.“ „Du hast auch geglaubt, dass sie uns niemals in der Nähe einer menschlichen Behausung anfallen würden.“
„Ja“, sagte Rainald. „Da habe ich mich getäuscht.“ Schwester Venia sah ihm in die Augen. Nach einem Moment lächelte sie erneut, aber flüchtiger als zuvor.
„In deine Hände befehle ich meinen Geist“, sagte sie. „Geh nicht leichtfertig damit um.“
„Ich bringe Euch und die Kinder in Sicherheit“, brummte Rainald und wandte sich ab. „Blanka, was lassen wir denn nun von den Sachen hier, verdammt noch mal?“
    Das Geheul der Wölfe folgte ihnen lange auf ihrem Weg durch knietiefe Schneeverwehungen, unter denen sich abgebrochene Äste vom letzten Herbststurm und herabgefallenes Gezweig versteckten. Als es endlich verstummte, fühlte Rainald sich beinahe noch beklommener als zuvor. Sie stolperten und taumelten mehr, als dass sie gingen. Rainalds Arme waren wie tot vom Gewicht Blankas; dass sie allen Erwartungen zum Trotz an seiner Schulter eingeschlafen war, machte die Sache nicht leichter. Johannes folgte Rainald dicht auf, humpelnd und zuweilen ächzend, aber er kam voran. Rainald suchte nach der Wut auf ihn und fand stattdessen Stolz. Schwester Venia machte den Abschluss. Er hatte gedacht, dass sie irgendwann ein Lied anstimmen würde, um ihnen allen Mut zu machen; stattdessen hatte sie bereits zweimal „Verflixt!“ gemurmelt, als sie in den Schnee gefallen war, und einmal hatte Rainald sie unter ihrem Atem „Miststück!“, sagen hören, als ein Ast hochschnellte und ihr beinahe eine Ohrfeige gegeben hätte. Er war höflich genug gewesen, sich nicht zu ihr umzudrehen, und ahnte, dass sie, wenn er es doch getan hätte, ihn nur herausfordernd angefunkelt hätte. Er lächelte beim Gedanken daran. „Hier geht’s zur Furt“, sagte Rainald und bog ab.
„Es sieht hier nicht anders aus als an allen Stellen, an denen wir schon vorbeigekommen sind“, erklärte Schwester Venia. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah sich nach allen Seiten um. „Tatsächlich könnte ich nicht mal beschwören, dass wir hier nicht schon einmal waren.“
„Keine Sorge“, sagte Rainald. „Kommt jetzt.“
„Nein, ernsthaft. Woran hast du die Abzweigung erkannt?“ Rainald holte zu einer barschen Antwort aus, als sein Blick auf Johannes fiel. Der Junge keuchte und

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