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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Er legte den Tennisschläger auf den Schreibtisch, erhob sich aus dem Sessel und versuchte es erneut. Der Griff leuchtete in einem angenehmen, satten Burgunderrot, in der Mitte von seinen schwitzenden Händen in hundert Tennisschlachten ziemlich geschwärzt, doch darauf saß dieser scheußliche blaue Flicken?!
    Grausam …
    Tim hatte sich das Klebeband bei Beinzierl in Rottach besorgt und das lose Ende auch ganz gut um die aufgerissene Stelle am Racketgriff bekommen. Nun wickelte er weiter den Griff entlang, langsam und bedacht, so, als habe er einen seiner Patienten zu versorgen.
    Ging. Jawohl. – Aber die Farbe! Und eine Schere hatte er auch nicht im Schreibtisch. In die Praxis rüberlaufen? Oh, heiliger Strohsack …! Wieso bloß hast du nicht gleich Leukoplast genommen?
    Er ließ das Tape fallen. Müde lehnte er an der Schreibtischkante. Mittwoch … Sein freier Nachmittag! Sechzehn Uhr. Und das Match im Club begann um fünf. Franz kam meistens schon früher. Und sicher brachte er seine Anneliese mit … Der Gedanke gefiel Tim nicht besonders, aber er würde Melissa auf Anneliese loslassen, dann war das Problem erledigt.
    Das heißt?
    Er ging zum Fenster. Von wegen Tennis in Rottach! Den ›Wimbledon‹ brauchst du auch nicht zu reparieren. Kauf dir 'nen neuen! Für nächsten Mittwoch. – Der Himmel war schiefergrau. Am Horizont sog er sich mit blauer, tintiger Schwärze voll, nur drüben, am Hirschberg, hatte sich eine Lichtschleuse geöffnet und warf eine letzte Bahn wäßrigen Glanzes über die Bergkette, über Hügelkuppen, über Dörfer, Höfe und das bleifarbene Auge eines Sees …
    Verdammt noch mal! Gleich würde es wieder losgehen.
    Um halb zwei, als Melissa den Schweinebraten aus dem Ofen holte, hatte es schon einmal angefangen: Ein bißchen Tröpfeln, darauf ein kurzer Guß – doch dann hatte der oben ein Einsehen und den Tegernseer Landregen mit dem wunderschönsten Regenbogen beendet.
    Diesmal würde es sich einregnen.
    Tim nahm das verdammte Wimbledon-Ding in die Hand, riß an diesem albernen blauen Klebezeug und – Scheiße! Das Band nahm gleich die Griffumwicklung mit; wie ein burgunderroter Regenwurm ringelte sie sich bis zu seinem Knie. Er schmiß alles in den Papierkorb: Schläger und Regenwurm.
    Mittwoch. – Dein freier Tag!
    Er schaltete den Fernseher ein. Und was sah er? Einen fernen Strand … Blaue Wellen … Ein weißes Hotel mit Tennisplatz, den die Zoom-Kamera mit Irrsinnsgeschwindigkeit heranholte. Auf dem Tennisplatz nun ein Mann seines Alters, der, den Schläger in der Hand, einer jungen Frau nachrannte.
    Mit Spaß aktiv, da hat man mehr vom Leben! Ihr Leben bleibt bei uns versichert …
    Ärgerlich drückte er die Aus-Taste. Hirnrissige Werbe-Heinis! Mit Spaß aktiv? Mit Spaß aktiv – und gleich würde es in Strömen gießen?! Überhaupt, Tennis spielen? Auch nur so ein eingeschliffenes Verhaltensmuster. Praxis geschlossen. Tennis mit Franz. Was denn sonst? Und dann ein Bier oder eine ›Weiße‹, Annelieses Geschwätz und das endlose Palaver über Patienten-Ärger, Kassenschikanen, Gesundheitspolitik, das Melissa so haßte …
    Wo steckte Melissa überhaupt? Wieso war er mit ihr nicht nach München gebrettert, Tegernsee satt hatten sie schließlich die ganze Woche. Ja, München. Ins Kino. Woody Allen zum Beispiel. Wie stand es heute in der Zeitung? »Versäumen Sie nicht die neue Woody-Allen-Offenbarung …« Aber den Film kennst du. Woody Allen bist du doch selbst, vielleicht doppelt so groß und bestimmt dreimal so schwer – aber was du abziehst, ist der reinste Woody-Allen-Zirkus!
    Tim konnte schon wieder ein wenig grinsen.
    In diesem Augenblick ließ ihn das Telefon zusammenzucken. Rrrriing …!
    Er dachte angestrengt nach. Mit seiner Privatnummer ging er so geizig um, als wäre sie sein einziger wertvoller Besitz. Leute, die einfach den Doktor Tim Tannert anwählen konnten, ließen sich an den Fingern abzählen. Mama? Sie war Gott sei Dank bei Irma, und seine Schwester hatte nach langen Jahren Erfahrung ein unfehlbares System entwickelt. Sie hielt Oma derartig in Trab, daß diese gar nicht mehr zum Telefonieren kam.
    Wer dann?
    Tim fühlte, wie tief in ihm das Unbehagen wuchs.
    »Tannert.«
    »Gott sei Dank! – Na, prima …«
    Private Anrufer ließen ihn mit Wehwehs ungeschoren. Von ganz seltenen Ausnahmen abgesehen. Dies war eine.
    »Sind's die Katzen?« fragte Tim. »Oder Sie selbst?«
    Nur einen einzigen Menschen gab es, dem er nicht nur als Arzt, sondern auch

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