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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Händedruck - ein secundenlang Zögern - dann nahm er die Flinte und schritt entschlossen der Felswand zu.
    Die Mädchen sahen ihn noch lange, wie sich die graue Gestalt in dem grauen Gesteine regte, winzig klein, bis nichts mehr sichtbar war, als die ruhige schon im Nachmittagsschatten stehende Wand.
    Man sah sich wechselweise an. War's ein Traum, daß in der Wildniß nur eben eine andere Stimme erklungen war, als die ihre - die Sonne schien, wie immer, die Vögel zwitscherten und der blaue Waldhimmel sah hernieder. Gregor's Stimme tönte plötzlich recht sanft in die Träumerei: »Der Mann muß euch sehr lieben.«
    Ihr Auge schlug mit einem schönen Blicke auf zu ihm dem väterlich Verehrten, aber Johanna sagte schmerzvoll: »Möge sich Alles zum Glücke enden!«
    Diese Worte waren die einzigen, die von der Gesellschaft über die seltsame Verlobung gesprochen wurden, die eben wie ein unheimlich Schattenspiel auf ihrer Wiese vorübergeglitten war, nichts zurücklassend, als den schönen prangenden Boden, auf dem sie noch standen, und über den sie drei so oft in Lieb' und Eintracht geschritten. Auch heute ging man an den Ruhebänken, an den Ahornstämmen vorüber, und dem Wasserfaden ihrer Quelle entlang, wie immer, aber mit Gedanken,
nicht
wie immer.
    Die im Hause sahen gegen Abend den Jäger und die Mädchen von ihrem Spaziergange aus dem Ahornwäldchen zurückkehren, und wunderten sich nur über die eigensinnige Vorsicht des Alten, daß er sie Alle zur Bewachung des Hauses innerhalb der Pflöke hereingesperrt habe.
    Sie traten von der Waldwiese in das Haus. - Clarissa war nicht mehr ruhig - Johanna nicht mehr glücklich.
     
     
     

6. Waldfels
     
    Und die alte Ruhe war wieder über dem Walde. - - Zuweilen, wenn das silberne Schiff, die Wolke einzeln durch die Bläue zieht, so geht unten ein Schatten über den Wald, und dann steht wieder dasselbe feste Licht auf seiner ganzen Breite - - oder wenn das Stahlgrau des Spätherbstes fest über die ganze Himmelskuppel gegossen liegt, so tritt ein Sonnenstrahl heraus, und küsset aus dem fernen Buchenhange ein goldnes Fleck chen, das gegen den Rand zieht, und von ihm unsichtbar in die Luft tritt, nachher ist dasselbe Grau über alle Weiten. Und so war es mit den Schwestern.
    Sonnen waren wieder gekommen und waren wieder gegangen, aber sie wurden immer kürzer und kühler. Gregor traf allerlei Vorkehrungen. Das Thor an den Pflöken stand nachgerade wieder offen, weder gesperrt, noch eingeklinkt, und die Mädchen konnten wieder auf ihrer Wiese weit und breit gehen, und sie thaten es auch. - Am Hause sammelte sich gemach eine Schicht Brennholzes nach der andern, von den Knechten aus den Gaben des Waldes gelesen; denn Gregor ließ nicht zu, daß ein frischer Baum gefällt werde - eine Mooshülle begann man über die Wände zu weben, das Winterkleid des Hauses. - Der zarte, schwerfällige Sohn des Spätjahres hatte sich bereits eingestellt, der Nebel, und oft, wenn die Schwestern an der noch immer sonnenwarmen Wand ihrer Felsen saßen, die einzelnen Glanzblicke des Tages genießend, so wogte und webte er draußen, entweder Spinnenweben über den See und durch die Thäler ziehend, oder silberne Inseln und Waldesstücke durcheinander wälzend, ein wunderbar Farbengewühl von Weiß und Grau und der rothen Herbstglut der Wälder; dazu mischte sich die Sonne und wob heiße weißgeschmolzne Blitze und kalte feuchte blaue Schatten hinein, daß ein Schmelz quoll, schöner und inniger, als alle Farben des Frühlings und Sommers. Und wenn die Mädchen dann so schweigend hinaussahen, so rieselte es neben ihnen leise, und ein oder zwei blutrothe Blätter des Waldkirschbaumes fielen zu ihren Füßen. Sie saßen da und sahen selber herbstlich trauernd dem Schauspiele zu, ahnend, wie majestätisch der Winter hier sein müsse, da sich ihm ihre Wildniß mit solcher Feierlichkeit und Stille entgegenrüste. Im Hause wurden Hauen, Schaufeln, Schneereife, Schlitten und andere Geräthe angehäuft, um nicht eingeschneit zu werden, oder durch Schneemassen von der Welt abgeschnitten.
    Seltsam ist der Mensch und seltsamer sein Herz. Wie einförmig waren vor Ronald's Ankunft die Tage einer um den andern im Walde hingegangen! Täglich dieselben Farben, dieselben Stimmen, dieselbe Feierlichkeit, und auf dem See dieselbe Windstille, daß es öfters war, als hätten sie lange Weile; - nun war eine Fülle, ja ein
Schauer
von Wonne über Clarissa's Herz gegangen, ausströmend von jenem unbegreiflichen

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