Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
See, und trachtetest stürmisch darnach mich zu verlocken, daß ich dich mit den Jungfrauen sprechen ließe, auch da noch fragte ich nach keiner Ursache - ich dachte sie mir wohl, nämlich die Schönheit der Jungfrauen reize dich -: aber jetzt, siehe einmal, der Vater dieser Mädchen ist ein hochansehnlicher Mann, ein Mann von gutem Herzen und trefflichen Gaben, er hat so weiße Haare, wie ich; er ist mein Freund, und ein viel älterer, als du - er hat mir diese Kinder gegeben, daß ich ihnen Vater sei, so lange sie im Walde leben, bis er sein Schloß aus der Gefahr gerissen - und da will es mich nun bedünken, daß ich dich fragen müsse, wer bist du denn, daß du um
diese
freiest? weß Volkes und Geschlechtes, daß ich es ihm vermelden lassen kann, und wo steht deine Hütte?«
    »Meine Hütte, Alter, hat tausend Fenster, und ihre Dächer könnten so viel Land beschatten, als jener See dort deckt, aber sie steht weit, weit von hier, und der sie mir gab, und der mir alles gab, hat sich ein Grab ersiegt in eurer Erde - diese ist nun mein Vaterland! - O Clarissa, dieser unheilvolle Krieg wird enden, muß bald enden, und dann ist kein Unterschied mehr zwischen schwedisch und deutsch, eure Nordlandsbrüder werden euch lieben, und ihr sie; denn alle sind sie Kinder desselben Namens - sieh mich an, trag' ich nicht Zeichen und Abbild an meinem Körper, daß ich ein Germane bin, so rein vielleicht, wie die, die uns jener Römerheld beschrieben hat - dein Vaterland wird fortan meines sein. - Schaue auf diesen schönen, ernsten, schweigenden Wald um uns - o wie lieb' ich ihn, wie ergriff er schon, da ich ihn zum ersten Male betrat, mein Herz, das noch das dunkle dämmerhafte Bild jener weiten Fichtenhaine in sich trug, in denen meine Mutter meine ersten Kindertage erzog - und nun mitten in seinen Schooßen erblüht mir die süße, zaubervolle, märchenhafte Waldblume meines Glückes:
du
! - - O Clarissa, warme dunkle Blume, wie neigt sich dir mein Herz! O, lehre es das Wort seiner Liebe aussprechen, daß es nicht daran verschmachte.«
    Er war wieder ihr gegenüber gesessen, sein leuchtendes Antlitz zu ihr emporgewendet, umwallt von dem flüssigen Gold der Haare, angeschaut von den zwei vollen Sternen ihrer Liebe. - Sie war mit jener schönen Empfindung des Schicklichen, die Frauen selbst in der Glut des Gefühles nicht verläßt, zu Johannen gesessen, und war fortwährend mehr ihr, als ihm zugewendet. Bei seinem letzten Worte that sie ihre Lippen auf und sagte halb zärtlich, halb schamvoll: »Ronald, schone Johannen.«
    »Nur noch einen Augenblick, süße Blume, laß mich schauen in dein Auge,« entgegnete er, »nur einen Augenblick noch, daß ich mir mein Glück einpräge, und nur ein Tausendstel davon mit forttragen kann - ich weiß nicht, geht von dir dieser Zauber der Verwandlung aus oder von dem Walde - mir ist, als wär' ich ein Anderer, als wäre draußen nicht der Sturm und die Verwüstung, sondern, wie hier, die stille warme Herbstsonne. Siehe die Steinwand schaut festlich flimmernd nieder, der Ahorn läßt Zeit um Zeit ein Blatt fallen, dort zirpt die Herbstheuschrecke, die sanfte Luft vermag nicht einmal jene glänzenden Fäden zu zerreißen, und die Wärme des Nachmittages sinkt zitternd längs dem grauen Gesteine nieder - - mir ist, als gäbe es gar kein Draußen, gar keine Menschen als die hier, die sich lieben, und Unschuld lernen von der Unschuld des Waldes - lasse es mich noch einen Augenblick genießen, wer weiß, ob wieder ein solcher kommt; denn der Mensch ist vergänglich, wie das Blatt des Baumes, ja noch mehr als dieß; denn dasselbe kann nur der Herbst abschütteln, den Menschen jeder Augenblick.«
    Bei diesen Worten sah selbst Johanna, die liebevoll Wandelbare, mit Freundlichkeit und Theilnahme auf den schönen Jüngling, und selbst mit schwach aufsteigender Neugier, wo es denn liege, was ihren größten Schatz dieser Erde, Clarissa's Herz gewonnen.
    »Laß diese Wiese,« fuhr er fort, »diese schöne Wiese, auf der wir sitzen, unbedeutende Geschöpfe vor dem Herrn, wie die andern, die da spielen und athmen in den Gräsern und Gesteinen, umweht von den Wäldern Gottes, in denen kein Rang und Stand ist - lasse sie den Verlobungssaal sein - und Alles, was uns umringt, sei Zeuge - reiche mir die Hand, Clarissa, so mir Gott gnädig sein wolle, bin ich dein für alle Zeiten, in Leid und Freud', und sollte dieß Auge unversehens der Schatten des Todes berühren, so weine ein kleines Thränlein als meine

Weitere Kostenlose Bücher