Der Idiot
mit einem Wort, ein Mensch, der Verstand besitzt, und ich habe in dieser Hinsicht auf dich gerechnet ... und Verstand ist doch im vorliegenden Fall ... im vorliegenden Fall ...«
»Die Hauptsache«, beendete Ganja den Satz, indem er wieder dem nach einem Ausdruck suchenden General zu Hilfe kam. Dabei verzog er seine Lippen zu einem boshaften Lächeln, das er nicht mehr zu verbergen suchte.
Er sah mit seinem brennenden Blick dem General gerade in die Augen, wie wenn er wünschte, daß jener in diesem Blick all seine Gedanken lesen möchte. Der General wurde dunkelrot und fuhr auf.
»Nun ja, Verstand ist die Hauptsache!« stimmte er bei und blickte dabei Ganja scharf an. »Du bist doch ein komischer Mensch, Gawrila Ardalionowitsch! Wie ich merke, freust du dich ordentlich über das Auftreten dieses Kaufmannssohnes, als ob du darin für dich einen Weg sähest, um aus der Sache herauszukommen. Aber gerade hier war es nötig, gleich von Anfang an Verstand zu beweisen; gerade hier war es nötig, zu begreifen und beiderseits offen und ehrlich zu verfahren, gegebenenfalls aber wenigstens vorher Mitteilung zu machen, um nicht andere Leute zu kompromittieren, um so mehr, da dazu Zeit genug vorhanden war und sogar jetzt noch Zeit genug ist« (der General zog bedeutsam die Augenbrauen in die Höhe), »trotzdem wir nur noch ein paar Stunden übrig haben ... Hast du verstanden? Ja? Willst du eigentlich, oder willst du nicht? Wenn du nicht willst, so sage es; das soll mir auch recht sein. Niemand wird Sie festhalten, Gawrila Ardalionowitsch, niemand Sie mit Gewalt in das Fuchseisen hineinziehen, wenn Sie wirklich hier nur ein Fuchseisen zu sehen glauben.«
»Ich will«, erwiderte Ganja halblaut, aber mit fester Stimme; dann schlug er die Augen nieder und verstummte mit finsterer Miene.
Der General war zufriedengestellt. Er war hitzig geworden, bereute es aber offenbar schon, daß er so weit gegangen war. Plötzlich wandte er sich zum Fürsten, und über sein Gesicht schien der beunruhigende Gedanke hinzugehen, daß der Fürst das alles mitangehört hatte. Aber er beruhigte sich sofort wieder völlig: dazu genügte ein einziger Blick auf diesen.
»Oho!« rief der General, als er das kalligraphische Probestück betrachtete, das ihm der Fürst hinreichte. »Das ist ja geradezu eine Schönschreibevorschrift! Und noch dazu eine von seltener Schönheit! Sieh mal, Ganja, was für ein Talent!«
Auf ein dickes Blatt Velinpapier hatte der Fürst mit mittelalterlicher russischer Schrift den Satz geschrieben:
»Der demütige Abt Pafnuti hat dies eigenhändig unterzeichnet.«
»Sehen Sie nur«, erklärte der Fürst mit außerordentlicher Freude und Lebhaftigkeit, »dies ist die eigenhändige Unterschrift des Abtes Pafnuti aus dem vierzehnten Jahrhundert, nach einem Faksimile. Sie bewiesen in ihren Unterschriften eine außerordentliche Kunst, all unsere alten Äbte und Metropoliten, und wie geschmackvoll sehen diese Unterschriften manchmal aus, und welche Sorgfalt lassen sie erkennen! Haben Sie nicht wenigstens die Pogodinsche Ausgabe, General? Dann habe ich Ihnen hier etwas in einer anderen Schrift geschrieben: das ist die runde, derbe französische Schrift des vorigen Jahrhunderts; einige Buchstaben weisen sogar abweichende Formen auf; es ist die Schrift der öffentlichen Schreiber, die auf den Marktplätzen saßen; ich habe sie aus einem ihrer Vorschriftenbücher entnommen, das ich besaß; Sie werden zugeben müssen, daß sie nicht ohne gewisse Vorzüge ist. Betrachten Sie nur diese runden O's und A's. Ich habe den französischen Schriftcharakter auf das russische Alphabet übertragen, was eine recht schwere Aufgabe war; aber es ist mir doch gut gelungen. Hier ist noch eine schöne, eigenartige Schrift, hier der Satz: ›Eifer überwindet alles‹. Das ist eine echt russische Schrift, die Schrift der Schreiber oder, wenn Sie wollen, der Militärschreiber. So schreibt man ein amtliches Schriftstück an eine hochgestellte Persönlichkeit; es ist gleichfalls eine runde Schrift, eine sehr schöne,
schlichte
Schrift, in schlichter Art, aber mit beachtenswertem Geschmack geschrieben. Ein Kalligraph würde diese Schnörkel oder, richtiger gesagt, diese Versuche zu schnörkeln, hier diese unvollendeten, halben Schwänzchen (sehen Sie, bitte, hier!) nicht billigen; aber im ganzen (wollen Sie darauf achten!) tritt doch darin ein bestimmter Charakter zutage, und es guckt daraus ordentlich die ganze Seele des Militärschreibers heraus: sie
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