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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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aufrichtiger, treuherziger Mensch sind, wie es nach Ihren Worten scheint, so können sich auch in dieser Hinsicht zwischen uns keinerlei Schwierigkeiten ergeben.
    Wenn ich mich so für Sie interessiere, so habe ich in bezug auf Sie sogar eine bestimmte Absicht; Sie werden diese später noch kennenlernen. Sie sehen, ich verkehre mit Ihnen ganz zwanglos; ich hoffe, Ganja, du hast nichts dagegen, daß sich der Fürst in eurer Wohnung mit einquartiert?«
    »Oh, ganz im Gegenteil! Auch meine Mutter wird sich sehr freuen ...«, versicherte Ganja freundlich und zuvorkommend.
    »Es ist bei euch, soviel ich weiß, erst ein Zimmer vermietet. An diesen, wie heißt er doch gleich? Ferd ... Fer ...«
    »Ferdyschtschenko.«
    »Na ja; er gefällt mir nicht, dieser euer Herr Ferdyschtschenko. Ein vulgärer Possenreißer. Ich begreife nicht, warum Nastasja Filippowna sich seiner so annimmt. Ist er denn wirklich mit ihr verwandt?«
    »Oh nein, das ist alles nur Scherz! Von Verwandtschaft keine Idee!«
    »Na, hol ihn der Teufel! Na, sind Sie denn nun also zufrieden, Fürst, oder nicht?«
    »Ich danke Ihnen, General; Sie haben an mir als ein herzensguter Mensch gehandelt, was um so mehr anzuerkennen ist, als ich Sie gar nicht gebeten hatte. Ich sage das nicht aus Stolz; ich wußte tatsächlich nicht, wohin ich mein Haupt legen sollte. Allerdings hat mich vorhin Rogoschin zu sich eingeladen.«
    »Rogoschin? Aber nein; da möchte ich Ihnen doch den väterlichen oder, wenn Sie lieber wollen, den freundschaftlichen Rat geben, diesen Herrn Rogoschin ganz zu vergessen. Und überhaupt würde ich Ihnen raten, sich an die Familie zu halten, in die Sie eintreten werden.«
    »Da Sie mir schon so viel Güte erweisen«, begann der Fürst, »so möchte ich Ihnen noch eine Angelegenheit, die mich beschäftigt, vorlegen. Ich habe die Nachricht erhalten ...«
    »Entschuldigen Sie«, unterbrach ihn der General, »jetzt habe ich wirklich keine Minute Zeit mehr. Ich werde sofort meiner Frau von Ihnen sagen. Wenn sie Sie jetzt gleich zu empfangen wünscht (meinerseits werde ich mich bemühen, sie durch meine Empfehlung dazu zu bewegen), so rate ich Ihnen, die Gelegenheit auszunutzen und sich ihre Gunst zu erwerben, da Lisaweta Prokofjewna Ihnen von großem Nutzen sein kann. Sie sind ja ihr Namensvetter. Und sollte sie es jetzt nicht wünschen, so nehmen Sie ihr das weiter nicht übel, sondern kommen Sie zu anderer Zeit wieder! Und du, Ganja, sieh doch unterdessen diese Rechnung durch, mit der Fedosjejew und ich uns vorhin abgequält haben! Vergiß aber nicht, sie nachher wegzuschließen!«
    Der General ging hinaus, und so kam der Fürst nicht dazu, seine Angelegenheit vorzubringen, von der er etwa zum vierten Mal zu reden angefangen hatte. Ganja begann eine Zigarette zu rauchen und bot auch dem Fürsten eine an; dieser nahm sie an, versuchte aber nicht, ein Gespräch in Gang zu bringen, um nicht zu stören, sondern betrachtete das Arbeitszimmer. Ganja aber warf kaum einen Blick auf das mit Zahlen bedeckte Papier, auf das ihn der General hingewiesen hatte. Er war zerstreut; sein Lächeln, sein Blick, sein nachdenkliches Wesen machten nach des Fürsten Ansicht jetzt, wo sie beide allein geblieben waren, einen noch unangenehmeren Eindruck. Plötzlich trat er an den Fürsten heran, der sich gerade über Nastasja Filippownas Porträt gebeugt hatte und es betrachtete.
    »Also gefällt Ihnen eine Frau von dieser Art, Fürst?« fragte er, indem er ihn durchdringend ansah, wie wenn er irgendwelche besondere Absicht hätte.
    »Ein wunderbar schönes Gesicht!« antwortete der Fürst. »Und ich bin überzeugt, daß sie ungewöhnliche Schicksale erlebt hat. Das Gesicht sieht ja heiter aus; aber sie hat wohl früher furchtbar gelitten, nicht? Davon reden die Augen, dort die beiden Knöchelchen, die beiden Punkte unter den Augen, wo die Wangen anfangen. Es ist ein stolzes Gesicht, ein schrecklich stolzes Gesicht, und ich weiß nicht, ob sie ein gutes Herz hat. Ach, wenn sie das doch hätte! Dann wäre alles gerettet!«
    »Würden
Sie
denn ein solches Weib heiraten?« fragte Ganja weiter, ohne seinen brennenden Blick abzuwenden.
    »Ich kann überhaupt nicht heiraten; ich bin krank«, versetzte der Fürst.
    »Aber Rogoschin würde sie heiraten? Was meinen Sie?«
    »Gewiß, womöglich gleich morgen, denke ich. Er würde sie heiraten und sie eine Woche darauf vielleicht ermorden.«
    Kaum hatte der Fürst dies gesagt, als Ganja plötzlich so zusammenfuhr, daß der Fürst

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