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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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das Kuvert!« verkündete er mit plötzlicher Entschlossenheit. »Übrigens ... ich zwinge niemand zuzuhören ...!«
    Mit vor Aufregung zitternden Händen erbrach er das Kuvert, nahm mehrere mit kleiner Schrift bedeckte Bogen Briefpapier heraus, legte sie vor sich hin und strich sie glatt.
    »Was ist denn das? Was ist denn da los? Was wird er vorlesen?« murmelten manche verdrießlich; andere schwiegen. Aber alle setzten sich hin und machten neugierige Gesichter. Vielleicht erwarteten sie wirklich etwas Ungewöhnliches. Wjera klammerte sich an den Stuhl ihres Vaters und weinte beinah vor Angst; fast in gleicher Angst befand sich Kolja. Lebedjew, der sich bereits hingesetzt hatte, erhob sich wieder halb, ergriff die Kerzen und zog sie näher an Ippolit heran, damit dieser mehr Licht beim Vorlesen habe.
    »Meine Herren, was das hier ist, werden Sie sofort sehen«, schickte Ippolit zu irgendwelchem Zweck voraus und begann dann seine Vorlesung: »Eine notwendige Erklärung! Motto: Après moi le déluge ... Pfui! Hol's der Teufel!« rief er, als ob er sich verbrannt hätte. »Habe ich wirklich im Ernst ein solch dummes Motto hinsetzen können ...? Hören Sie, meine Herren ...! Ich versichere Ihnen, daß dies alles am Ende vielleicht schrecklich dummes Zeug ist! Es sind nur ein paar Gedanken von mir ... Wenn Sie glauben, daß das hier irgend etwas Geheimnisvolles oder ... Verbotenes ist ... mit einem Wort ...«
    »Lesen Sie doch ohne weitere Vorreden!« unterbrach ihn Ganja.
    »Er kneift!« fügte jemand hinzu.
    »Viel unnützes Gerede!« mischte sich Rogoschin hinein, der bisher die ganze Zeit über geschwiegen hatte.
    Ippolit blickte schnell nach ihm hin, und als ihre Augen sich trafen, lächelte Rogoschin bitter und grimmig und sprach langsam die seltsamen Worte:
    »Diese Sache muß man anders zu Ende bringen, Junge, ganz anders ...«
    Was Rogoschin damit sagen wollte, verstand natürlich niemand; aber seine Worte machten auf alle einen recht sonderbaren Eindruck: ein und derselbe Gedanke ging einem jeden durch den Kopf. Auf Ippolit übten diese Worte eine furchtbare Wirkung aus: er begann so zu zittern, daß der Fürst schon die Hand ausstrecken wollte, um ihn zu stützen, und er hätte gewiß aufgeschrien, wenn ihm nicht offenbar plötzlich die Stimme versagt hätte.
    Eine ganze Minute lang war er nicht imstande, ein Wort herauszubringen, und blickte, schwer atmend, fortwährend Rogoschin an. Endlich sagte er keuchend und mit gewaltsamer Anstrengung:
    »Also Sie ... Sie waren es ... Sie?«
    »Was soll ich gewesen sein? Ich?« antwortete Rogoschin verständnislos.
    Aber Ippolit fuhr, von plötzlicher Wut gepackt, auf und schrie mit scharfer, starker Stimme:
    »
Sie
waren in der vorigen Woche bei mir, bei Nacht, um ein Uhr, an dem Tag, an dem ich morgens zu Ihnen gekommen war,
Sie!!
Gestehen Sie es ein, daß Sie es waren?«
    »In der vorigen Woche, bei Nacht? Hast du den Verstand verloren? Bist du geradezu verrückt geworden, Junge?«
    Der »Junge« schwieg wieder ungefähr eine Minute lang, indem er den Zeigefinger an die Stirn hielt und nachdachte; aber in seinem bleichen, immer noch von Furcht verzerrten Lächeln schimmerte plötzlich ein schlauer, ja triumphierender Ausdruck auf.
    »Das waren Sie!« wiederholte er endlich flüsternd, aber im Ton festester Überzeugung. »
Sie
sind zu mir gekommen und haben schweigend bei mir auf dem Stuhl am Fenster gesessen, eine volle Stunde lang; länger; zwischen zwölf und zwei Uhr nachts; dann sind Sie nach zwei Uhr aufgestanden und weggegangen ... Das waren Sie, Sie! Warum Sie mich so geängstigt haben, warum Sie gekommen sind, um mich zu quälen, das verstehe ich nicht; aber das waren Sie!«
    Und obwohl aus seinem Blick der Ausdruck zitternder Angst noch nicht geschwunden war, blitzte doch in ihm plötzlich ein grenzenloser Haß auf.
    »Sie werden das alles sogleich erfahren, meine Herren; ich ... ich ... hören Sie nur zu ...«
    Er griff wieder in schrecklicher Hast nach seinen Blättern; sie hatten sich verschoben und waren auseinandergeglitten; er bemühte sich, sie zusammenzulegen; sie zitterten in seinen bebenden Händen; es dauerte lange, bis er damit zurechtkam.
    »Er ist verrückt geworden, oder er redet im Fieber!« murmelte Rogoschin kaum hörbar.
    Endlich begann die Vorlesung. Anfangs, etwa fünf Minuten lang, wurde es dem Verfasser des unerwarteten Schriftstücks noch schwer, Lust zu bekommen, und er las unzusammenhängend und ungleichmäßig; aber dann wurde

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