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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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fuhr Fürst Schtsch. fort. »Die einen spotteten über dieses Sujet, die anderen dagegen meinten, man könne sich gar nichts Höheres ausdenken. Aber um den ›armen Ritter‹ darzustellen, dazu war unter allen Umständen ein Gesicht als Modell erforderlich; so musterten wir denn die Gesichter aller unserer Bekannten, aber kein einziges taugte dazu; daran scheiterte die Sache. Das ist alles. Es ist mir unverständlich, warum Nikolai Ardalionowitsch es hier hat erwähnen und erörtern können. Was früher und bei bestimmtem Anlaß komisch war, hat jetzt alles Interesse verloren.«
    »Er hat es eben getan, weil da wieder irgendeine neue Dummheit dahintersteckt, eine boshafte, verletzende Dummheit«, bemerkte Lisaweta Prokofjewna scharf.
    »Es steckt gar keine Dummheit dahinter, sondern vielmehr die größte Hochachtung«, sagte Aglaja mit ganz unerwartetem Ernst und Nachdruck. Es war ihr inzwischen gelungen, sich wieder vollständig in die Gewalt zu bekommen und ihre frühere Verlegenheit zu unterdrücken.
    Ja, auf Grund gewisser Anzeichen konnte man, wenn man sie ansah, meinen, daß sie sich jetzt selbst darüber freute, daß der Spaß sich immer länger und länger ausdehnte, und diese ganze Umwandlung ging bei ihr gerade in dem Augenblick vor, als die immer zunehmende und schon sehr hoch gestiegene Verlegenheit des Fürsten ganz deutlich wurde.
    »Erst lachen sie wie die Unsinnigen, und dann wird auf einmal von der größten Hochachtung gesprochen! Verrücktes Volk! Was soll hier die Hochachtung? Sag mal sofort, warum du so mir nichts dir nichts auf einmal von der größten Hochachtung redest!«
    »Von der größten Hochachtung«, erwiderte Aglaja ebenso ernst und nachdrücklich auf die ärgerliche Frage der Mutter, »von der größten Hochachtung rede ich deshalb, weil in diesen Versen ein Mensch geschildert wird, der fähig ist, erstens ein Ideal zu haben und zweitens, nachdem er sich einmal ein solches Ideal geschaffen hat, an dasselbe zu glauben und ihm blind sein ganzes Leben zu weihen. So etwas kommt in unserer Zeit nicht alle Tage vor. Dort, in diesen Versen, ist nicht gesagt, worin eigentlich das Ideal des ›armen Ritters‹ bestand; aber man sieht, daß es eben ein leuchtendes Ideal war, ›das Ideal der reinen Schönheit‹, und daß der verliebte Ritter sich sogar statt der Schärpe einen Rosenkranz um den Hals band. Allerdings ist da noch von einer dunklen, nur andeutenden Devise die Rede, den Buchstaben A. N. B., die er auf seinen Schild geschrieben hatte...«
    »A. M. D.«, verbesserte Kolja.
    »Ich sage aber A. N. B. und will dabei bleiben«, unterbrach ihn Aglaja ärgerlich. »Wie es sich damit auch verhalten mag, so viel ist klar, daß es diesem ›armen Ritter‹ nun ganz gleichgültig war, wer seine Dame war und was sie tat. Ihm genügte es, sie sich ausgewählt zu haben und an ihre ›reine Schönheit‹ zu glauben, und nun verehrt er sie sein ganzes Leben lang; gerade darin besteht sein Verdienst, daß er, selbst wenn sie später zur Diebin würde, doch an sie glauben und für ihre reine Schönheit eine Lanze brechen müßte. Der Dichter scheint beabsichtigt zu haben, in der auffallenden Gestalt eines reinen, hochgesinnten Ritters den ganzen gewaltigen Begriff der mittelalterlichen, ritterlichen, platonischen Liebe zur zusammenfassenden Darstellung zu bringen; selbstverständlich ist das alles ein Ideal. In dem ›armen Ritter‹ hat dieses Gefühl schon die höchste Stufe erreicht, die Askese; man muß gestehen, daß die Fähigkeit zu einem solchen Gefühl einen hohen Wert hat und daß solche Gefühle einen bedeutsamen und unter Umständen sehr löblichen Charakterzug bilden, wobei ich nicht gerade Don Quijote meine. Der ›arme Ritter‹ ist eine Art Don Quijote, aber ein ernster, nicht ein komischer. Ich habe ihn am Anfang nicht verstanden und über ihn gelacht, aber jetzt liebe ich den ›armen Ritter‹, und vor allen Dingen schätze ich seine Taten hoch.«
    Damit schloß Aglaja, und wenn man sie ansah, konnte man schwer daraus klug werden, ob sie im Ernst sprach oder scherzte.
    »Na, ein Dummkopf ist er, er und seine Taten!« urteilte die Generalin kurz. »Aber du, liebes Kind, bist ganz ins Schwatzen hineingekommen, das war ja eine ordentliche Vorlesung; aber meiner Ansicht nach steht dir das gar nicht gut, jedenfalls ist es unpassend. Was sind das für Verse? Sag sie mal auf, du kannst sie doch sicher auswendig! Ich will diese Verse unbedingt kennenlernen. Mein ganzes Leben habe ich

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