Der Idiot
meinte Adelaida.
»Und für vornehme Leute ist es nicht einmal schicklich, sich für die Literatur besonders zu interessieren«, fügte Kolja hinzu. »Fragen Sie nur Jewgenij Pawlowitsch! Weit passender interessieren sich solche Leute für einen gelben char à banc mit roten Rädern.«
»Das haben Sie gewiß wieder aus einem Buch, Kolja!« bemerkte Adelaida.
»Alles, was er sagt, hat er aus Büchern«, stimmte Jewgenij Pawlowitsch bei. »Er reproduziert ganze Sätze aus den kritischen Revuen. Ich habe schon lange das Vergnügen, Nikolai Ardalionowitschs Redeweise zu kennen, aber diesmal hat er nun doch nicht aus einem Buche zitiert. Nikolai Ardalionowitsch macht eine deutliche Anspielung auf meinen gelben char à banc mit roten Rädern. Nur habe ich diesen Wagen bereits vertauscht, so daß Sie mit Ihrer Bemerkung zu spät kommen.«
Der Fürst hörte das, was Radomskij sagte, mit an. Er hatte den Eindruck, daß dessen Benehmen recht nett, bescheiden und heiter sei; ganz besonders gefiel es ihm, daß er mit Kolja, der ihn fortwährend neckte, auf völlig gleichem Fuß verkehrte und mit ihm durchaus freundschaftlich sprach.
»Was ist das?« Mit dieser Frage wandte sich Lisaweta Prokofjewna an Wera, die Tochter Lebedews, die mit einigen Büchern in den Händen vor ihr stand. Die Bücher hatten ein großes Format, waren vorzüglich gebunden und fast neu.
»Puschkin«, antwortete Wera. »Unser Puschkin. Papa hat mir befohlen, ihn Ihnen zu bringen.«
»Wie ist das gemeint? Wie ist das möglich?« fragte Lisaweta Prokofjewna erstaunt.
»Nicht als Geschenk, nicht als Geschenk! Das würde ich nicht wagen!« kam Lebedew hinter der Schulter seiner Tochter hervorgesprungen. »Ich überlasse Ihnen die Bücher zum Selbstkostenpreis. Dies ist unser Familien-Puschkin, die Annenkowsche Ausgabe, die jetzt nirgends mehr aufzutreiben ist, – zum Selbstkostenpreis. Ich bringe ihn Ihnen mit Ehrerbietung dar, in dem Wunsch, ihn Ihnen zu verkaufen und dadurch die edle Ungeduld des höchst edlen literarischen Interesses Euer Exzellenz zu befriedigen.«
»Ah, du willst ihn verkaufen! Nun, dann danke ich schön. Du sollst nicht um dein Geld kommen, hab keine Bange; schneide nur keine Gesichter, Väterchen, sei so gut! Ich habe von dir gehört, du sollst ja ein sehr belesener Mann sein; wir plaudern schon noch einmal miteinander. Wie ist's? Willst du die Bücher selbst zu mir bringen?«
»Mit Ehrerbietung und... größtem Respekt!« versetzte Lebedew höchst zufrieden unter starkem Gesichterschneiden und nahm seiner Tochter die Bücher ab.
»Na, verliere sie nur nicht, wenn du sie hinbringst; Ehrerbietung ist dabei nicht vonnöten. Aber ich sage dir vorher«, fügte sie, ihn fest anblickend, hinzu, »über die Schwelle lasse ich dich nicht; dich heute zu empfangen, das liegt nicht in meiner Absicht. Deine Tochter Wera kannst du mir aber gleich hinschicken, die hat mir sehr gefallen.«
»Warum sagen Sie denn nichts von jenen Leuten?« wandte sich Wera ungeduldig an ihren Vater. »Sonst werden sie noch unaufgefordert hereinkommen, sie haben schon angefangen, Lärm zu machen. Lew Nikolajewitsch«, wandte sie sich an den Fürsten, der bereits nach seinem Hut gegriffen hatte, »da sind schon vor längerer Zeit vier Menschen gekommen, die zu Ihnen wollen. Sie warten in unserer Wohnung und schimpfen, aber Papa will sie nicht zu Ihnen hereinlassen.«
»Was sind das für Besucher?« fragte der Fürst.
»Sie sagen, sie kämen in einer geschäftlichen Angelegenheit«, erwiderte Wera. »Aber es sind Menschen von solcher Art, daß sie, wenn sie jetzt nicht vorgelassen werden, sich nicht scheuen werden, Sie einmal auf der Straße anzuhalten. Es wird das beste sein, wenn Sie sie vorlassen, Lew Nikolajewitsch, und sie dann ein für allemal abschütteln. Gawrila Ardalionowitsch und Ptizyn reden dort auf sie ein, aber sie hören nicht darauf.«
»Es ist Pawlischtschews Sohn, es ist Pawlischtschews Sohn! Er ist es nicht wert, er ist es nicht wert!« rief Lebedew mit lebhaftem Armschwenken. »Die Leute sind nicht wert, daß man sie anhört, und es schickt sich gar nicht, daß Sie, durchlauchtigster Fürst, sich ihretwegen stören lassen. So ist es. Die Menschen verdienen es nicht...«
»Pawlischtschews Sohn! Mein Gott!« rief der Fürst in größter Verlegenheit. »Ich weiß... aber ich hatte ja... ich hatte ja Gawrila Ardalionowitsch mit der Erledigung dieser Sache beauftragt. Eben hat mir noch Gawrila Ardalionowitsch gesagt...«
Aber Gawrila
Weitere Kostenlose Bücher