Der Idiot
Burdowskij habe ich den Artikel nur vorgelesen, und zwar nicht vollständig, und habe sogleich von ihm seine Einwilligung zum Druck erhalten; indes werden Sie selbst zugeben müssen, daß ich ihn auch ohne seine Einwilligung hätte drucken lassen können. Die Öffentlichkeit ist ein allgemeines, edles, wohltätiges Recht. Ich hoffe, daß Sie selbst, Fürst, fortschrittlich genug denken, um dies nicht in Abrede zu stellen...«
»Ich werde das nicht in Abrede stellen, aber Sie müssen selbst sagen, daß in Ihrem Artikel...«
»Sie wollen sagen: er ist etwas scharf gehalten? Aber es handelt sich hier, wie Sie werden zugeben müssen, sozusagen um das Gemeinwohl, und kann man denn schließlich eine so ausgezeichnete Gelegenheit ungenutzt lassen? Schlimm für die Schuldigen, aber das Gemeinwohl geht über alles. Was einige Ungenauigkeiten, sozusagen Hyperbeln anlangt, so werden Sie auch hier zugeben müssen, daß das wichtigste der leitende Gedanke ist, der Zweck und die Absicht. Wichtig ist, daß ein Einzelfall als wohltätig wirkendes Beispiel benutzt wird; um Privatinteressen können wir uns erst in zweiter Linie kümmern. Und schließlich handelt es sich hier um den Stil; es ist dies sozusagen eine humoristische Aufgabe. Und schließlich... schreiben doch alle so, wie Sie selbst werden zugeben müssen! Haha!«
»Aber ich muß sagen: Sie haben da doch einen ganz wahrheitswidrigen Weg eingeschlagen, meine Herren!« rief der Fürst. »Sie haben den Artikel in der Voraussetzung drucken lassen, ich würde mich um keinen Preis dazu bereit finden, Herrn Burdowskij zufriedenzustellen, und Sie müßten mir darum einen Schreck einjagen und an mir Ihr Mütchen kühlen. Aber woher wußten Sie denn das? Ich habe mich vielleicht dafür entschieden, Herrn Burdowskij zufriedenzustellen. Ich sage Ihnen jetzt geradeheraus und vor all diesen Zeugen, daß ich ihn zufriedenstellen werde...«
»Nun, das ist endlich ein verständiges, edles Wort eines verständigen, edlen Menschen!« erklärte der Boxer.
»O Gott!« rief Lisaweta Prokofjewna unwillkürlich.
»Das ist nicht mehr zu ertragen«, murmelte der General.
»Erlauben Sie, meine Herren, erlauben Sie, ich werde Ihnen die Sache auseinandersetzen«, bat der Fürst. »Vor fünf Wochen erschien bei mir in S. ein Herr Tschebarow, Ihr Bevollmächtigter und Vertreter, Herr Burdowskij. Sie haben in Ihrem Artikel eine sehr schmeichelhafte Schilderung von ihm gegeben, Herr Keller«, wandte sich der Fürst, auf einmal auflachend, an den Boxer, »aber mir gefiel er ganz und gar nicht. Mir war gleich bei der ersten Begegnung klar, daß dieser Tschebarow die Haupttriebfeder bei der ganzen Angelegenheit und wohl derjenige ist, der Sie, Herr Burdowskij, unter Ausnutzung Ihrer Naivität zu diesem ganzen Vorgehen angestiftet hat, wenn ich offen reden soll.«
»Sie haben kein Recht... ich... bin nicht naiv... das...«, stotterte Burdowskij aufgeregt.
»Sie haben keinerlei Berechtigung, solche Vermutungen auszusprechen«, fügte, für ihn eintretend, Lebedews Neffe hinzu.
»Das ist im höchsten Grade beleidigend!« kreischte Ippolit. »Eine beleidigende, lügenhafte Vermutung, die gar nicht zur Sache gehört.«
»Verzeihung, meine Herren, Verzeihung!« entschuldigte sich der Fürst eilig. »Bitte, verzeihen Sie! Ich habe es nur deswegen gesagt, weil ich meinte, es würde wohl das beste sein, wenn wir gegeneinander völlig aufrichtig wären; aber wie Sie wollen, ganz wie Sie wollen! Ich sagte zu Herrn Tschebarow, da ich nicht in Petersburg sei, so würde ich unverzüglich einem Freund zur Erledigung der Angelegenheit Vollmacht erteilen und Sie, Herr Burdowskij, davon benachrichtigen. Ich sage Ihnen geradeheraus, meine Herren, daß mir diese Sache als eine arge Gaunerei erschien, eben deshalb, weil dieser Tschebarow dabei beteiligt war... Oh, fühlen Sie sich nicht beleidigt, meine Herren! Um Gottes willen, fühlen Sie sich nicht beleidigt!« rief der Fürst erschrocken, da er sah, daß Burdowskij wieder eine gekränkte, empörte Miene machte und seine Freunde sich anschickten, aufgeregt zu protestieren. »Es kann sich doch nicht auf Sie persönlich beziehen, wenn ich sage, daß ich die Sache für eine Gaunerei hielt! Ich kannte ja damals niemand von Ihnen persönlich, nicht einmal Ihre Namen, ich urteilte nur nach dem Eindruck, den mir Tschebarow machte; ich sage das überhaupt, weil... wenn Sie wüßten, wie schrecklich ich betrogen worden bin, seitdem ich die Erbschaft gemacht
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